Vorlesungen an der Volkshochschule Zürich 1968
Wenn immer eine neü Art von Musik auftritt, taucht auch die Frage auf, ob dies denn überhaupt Musik sei? So ergeht es auch der elektronischen Musik. Die Beantwortung dieser, wie ich glaube, durchaus nicht wesentlichen, aber immer wieder gestellten Frage stetzt die Antwort auf eine sehr viel wichtigeren Frage voraus; auf die Frage nämlich nach dem Wesen der Musik. Was ist überhaupt Musik? Dahin wollen wir heute abend unsere Aufmerksamkeit lenken.
Ist Musik ein Gegenstand? Die Auffassung,wonach Musikstücke Objekte seien, ist weit verbreitet. Die vervielfältigbare Speicherung der Musik durch den Notendruck und seine Kommerzialisierung, vorallem aber der Schallplattenmarkt haben zu einer solchen Auffassung wesentlich beigetragen. ‚Tristan und Isolde'
ist beispielsweise ein Objekt, das sich auf Schallplatten besser verkauft als der ‚Ring' von Wagner (das hat Karajan soeben erfahren).Sinfonien von Beethoven sind Objekte, die eine grössere Zahl von Zuhörern in den Konzertsaal locken als die Sinfonien von Mozart es zu tun vermögen, und unter den Beethovenschen sind die ungeradzahligen, vorallem die Eroica, die Fünfte und Neunte die begehrten Objekte. Ich gebe zu, es sind dies zwar nicht eben sehr musikalische Aspekte der Musikbetrachtung; aber es ist unleugbar, dass Fragen dieser Art im Musikleben eine bedeutende Rolle spielen. Und ohne Zweifel gehört auch das Musikleben irgendwie zur Musik. Doch davon soll später die Rede sein.
Wenn ich zunächst alle „kommerziellen" Aspekte ausklammere, wie man das in der Kunst zu tun zwar oft vorgibt, im Stillen aber nicht immer einzuhalten pflegt, so kann ich ein musikalisches Werk immerhin nach historischen oder formalen Gesichtspunkten betrachten. Ich sage zum Beispiel: Dies ist ein spätromantisches Werk. Und: Es ist eine Sinfonie von klassischer Form, aber an die Seite der beiden Sonatenthemen tritt allerdings noch ein drittes, choralartiges Thema.
So wird beschrieben. Und die Beschreibung reicht aus, um das Werk einzukreisen. Sie wissen nun, es handelt sich im vorliegenden Fall um eine Sinfonie von Anton Bruckner.
Wie haben wir das herausgefunden und was haben wir eigentlich gefunden? Das Werk ist spätromantisch, sagten wir, so wie man von einer antiken Vase sagt, sie sei späthellenisch oder von einer italienischen Kirche, sie sei frühbarock. Wir haben das brucknersche Werk als Objekt charakterisiert,das eine bestimmte Zeitepoche hervorgebracht, gestempelt und uns Nachgeborenen hinterlassen hat, so wie Vasen, Kirchen und Häuser aus der Vergangenheit auf uns gekommen sind.
Das Werk, so haben wir weiterhin gesagt, besitzt ausser den zwei Auch von einer spätgotischen Hallenkirche sagen wir etwa, an die Stelle des einen einzigen Langhauses seien deren drei getreten, weil die beiden Seitenschiffe bei derartigen Kirchen zu voller Scheitelhöhe ausgebaut worden sind. Oder wir sagen: dieses Auto hat nicht nur einen einzigen, sondern zwei Vergaser. Wir haben das musikalische Werk also wiederum als Objekt charakterisiert, dem eine bestimmte Struktur zukommt. Ein Haus beispielsweise ist ein- oder mehrgeschossig, hat fünf oder zwanzig Zimmer usw., und ein musikalisches Werk hat Sonatenform, Liedform, Rondoform und ist zwei-, drei- oder vielthemig, vielsätzig usw.(1.1)
Bleiben wir vorerst beim Haus. Ist das Haus ein Objekt? Oder fragen wir lieber so: Ist das Haus ein Haus, wenn es nicht bewohnt wird? Selbstverständlich kann man das auf eine Definitionsfrage hinausschieben, aber ich persönlich möchte mich dazu entscheiden, mit einem Nein zu antworten. Nein, es ist kein Haus, wenn es nicht bewohnt ist; es kommt ihm bloss die Möglichkeit zu, bewohnt zu werden, also die Möglichkeit, Haus zu sein. Sofern es nicht bewohnt ist, handelt es sich also nicht um ein Haus, sondern um die Möglichkeit eines Hauses (und, wie wir wissen, oft nach kürzester Zeit um eine Ruine). Wenn Le Corbusier von der „Wohnmaschine" sprach, so wollte er genau das ausdrücken: ein Haus ist nicht ‚Haus' an sich, sondern es ist ‚Haus' nur und einzig im Zusammenspiel mit seinem Bewohner. Das Haus ist also nicht Objekt, sondern Funktion.
Ebenso liesse sich von einer unbenützten antiken Amphora sagen,
sie habe zwar die Möglichkeit, Amphora zu sein; aber Amphora ist
sie nur dann, wenn in ihr Öl, Wein u.dgl.m.aufgehoben wird, wie
das früher einmal der Fall war. So müsste also gesagt werden,
dass historische Denkmäler, sofern sie nicht in Funktion sind,
keine Tempel, keine Kirchen, keine Häuser, sondern nur Möglich-
keiten (oft in Ruinen zerfallene Möglichkeiten) von Tempeln, Kir-
chen, Häusern usw. darstellen. Es müsste konseqünterweise zu-
gegeben werden, dass antikes, mittelalterliches und neuzeitliches
Gebrauchsgut kein Gebrauchsgut mehr ist, weil alle diese Gegen-
stände doch Werkzeug in der Hand des Menschen waren und nur aus
dem Zusammenspiel mit dem Menschen Sinn und Leben bekamen. Dem-
nach wären nicht nur unsere Museen, sondern auch unser ganzer
Erdball vollgestopft mit von Menschenhand geschaffenen Möglich-
keiten, die wir nicht nutzen, weil wir sie nicht mehr nutzen
wollen oder nicht mehr nutzen können. Burgen, Autofriedhofe,
vergessene Landstrassen, unbenützte Bahndämme, Brücken, Schuppen, sinnlos gewordene bäürliche Anwesen mitten in der sich immer weiter ins Land hineinleckenden Grosstadt usw.; alles funktions-los geworden, alles tot. Dasselbe in Zeitraffe mit den Segnungen unser Technologie; in einer Fachaustellung meinte kürzlich ein mich begleitender Ingenieur, auf hochwertige elektronische Appa-ratur weisend (die ich weiss Gott gerne für unser Genfer Studio requiriert hätte): Rosthaufen! man fabriziert das bereits viel kleiner und besser.
Es wird Ihnen nun allerdings nicht anders ergehen als mir. Auch
Sie wissen und haben erfahren: Totes kann mit einemmal aufer-
stehen, „Rosthaufen" können zum Leben erwachen. Uns allen kann es
geschehen, dass Ruinen, Spuren und Rückstände der Vergangenheit,
eine alte Uhr, ein Teppich, ein Stuhl im hintersten Winkel eines
Museums uns plötzlich ansprechen, uns etwas zu sagen haben, uns
eine Nachricht geben (...(wie) die Uhr von X, (wie) die Stimme
von Y). Das ist es ja, was wir einzig von der Vergangenheit
haben: Nachrichten; das ist es, womit wir mit unserer Umwelt
kommunizieren, womit wir soziale Lebensverbände bilden: mit
Nachrichten.
Meine eigene Erfahrung lehrt mich, dass sehr viel zu gewinnen
ist, wenn man versucht, auch Musik als Nachricht aufzufassen.
Deshalb möchte ich die Frage nach dem Wesen der Musik, die wir
eingangs gestellt haben, „nachrichtentechnisch" angehen. (Dabei gedenke ich jenes Wissenschaftlers, der meines Wissens als erster diesen Ansatz gewagt und konseqünt durchgeführt hat und damit zum grossen Anreger der elektronischen Musik (die er nicht ‚elek-tronisch', sondern ‚absolut' nannte) geworden ist: Dr. Werner Meyer-Eppler, verstorbener Dozent fur Nachrichtentechnik an der Universität Bonn.)
Fotographisch festgelegte Sachverhalte können nur von jenem als Abbild erkannt werden, der gelernt hat, Bildern einen Sinn zu geben dh. einen Sinn in sie hinein zu tragen. Ebenso verhält es sich mit dem Spiegelbild, dessen Faszination weit in die Morgen-röte des erwachenden menschlichen Geistes zurückreicht (und für Haustiere eben erst begonnen hat). Sehen sie bitte nach den folgenden Bildern:
(Abb.) Cherry (1963) p329 (1.2)
Was ist das?
Antwort 1: Links und rechts eine Art von ‚Rorschachtest'-Bild, dh. Sach-verhalte, in welche wir verschiedene Sinne hineindeuten können. Je nach dem Sinn, den wir in das Bild legen, erhalten die Signalmuster des Bildes ihre Bedeutung, zB. links: Veexierspiel oder Labyrinth von Knossos, rechts: Pflanzenblatt.
Ich möchte bereits jetzt darauf hinweisen, dass Musik heute in zunehmendem Masse auf diese Weise genossen wird: als Hintergrund, in welchen man wahlweise eigene Stimmungen und Gedanken hinein-projzieren kann. (Man sitzt zu hause, legt sich eine passende Schallplatte auf etc....)
Antwort 2: Zwei Vexierbilder, die also Zeichen enthalten, die wir noch nicht entdeckt haben? Ja richtig, und jetzt entdecken Sie in dem Bild ja ohne Zweifel den Buchstaben ‚E'.Sie haben dem Bild jetzt einen eindeutigen Sinn gegeben. Damit hat bereits ein Signalmuster des Bildes auch eine eindeutige Bedeutung erhalten und wird zu einem Zeichen, nämlich: E. Jetzt hat Ihnen das Bild also mittels eines Zeichens eine Nachricht zugesandt. Das Bild ist zur Nachrichtenqülle und Sie sind zum Nachrichtenempfänger geworden. Was Sie mit dem Bild verbindet, ist der Nachrichtenkanal. (Abb.)(1.3)
Wenn Nachrichten, sagen wir zB unser Signal E:
(Abb.) hier das Signal E geben
über einen Kanal vermittelt werden, so erleiden sie Störungen. (Darum haben wir das Zeichen E nicht auf Anhieb im Signal erkannt.) Denn in jedem Kanal gibt es unvermeidlich Rauschen. (Denken Sie an das Telefon, den Rundfunkempfang etc, aber auch an die akustische Umgebung, in der sich unsere täglichen Unterhal-tungen abspielen.) Das heisst: eine übermittelte Nachricht E' wird der eingegebenen Nachricht E nicht völlig gleich sein. Daher schreiben wir:
E' = E + Rauschen
In unsern „Labyrinth"- und „Blatt"-bildern ist das Signal E
offensichtlich durch Rauschen gestört. Und jetzt haben wir also
auch den übrigen Teilen des Bildes, die wir bislang nicht oder
doch nur sehr vage deuten konnten, eine feste Bedeutung gegeben:
Rauschen. Die Störung durch Rauschen kann so weit gehen, dass die ursprüngliche Nachricht vom Empfänger kaum mehr verstanden wird. (Wir brauchen unseren Bildern bloss ein paar weitere Striche zuzufügen, und schon wird das Zeichen E nicht mehr zu erkennen sein.) Sie alle sind vertraut mit der alltägliche Erscheinung (über deren unwiderstehliche Komik wir schon gar nicht mehr lachen): dass am Telefon jeder Satz ungezählte Male wiederholt und auch ganz nutzlos mit Händen gestikuliert wird, während vernünftige Leute beim Buchstabieren den Telefoncode „E wie Emil" anwenden, dessen Kennwörter nicht leicht im Rauschen ertrinken, die Sprache aber monstruös aufblähen.
Ich habe gesagt, dass Qülle und Empfänger durch einen Kanal
verbunden sind. Wie unser Beispiel zeigt, muss aber beiden Teilen
noch etwas weiteres gemeinsam sein: ein Zeichenvorrat mit
fixierten Bedeutungen. Ich kann Ihnen durch das Bild die Nach-
richt E zukommen lassen, nicht nur weil Sie Augen im Kopf haben
und ein optischer Kanal uns verbindet, sondern vorallem auch
deshalb, weil Sie das Zeichen E (dh. die physikalische Darstel-
lung meiner Nachricht und die Bedeutung des Signals) ihrerseits ebenso gut kennen wie ich. (Abb.)
Aber das allein genügt noch nicht. Wir müssen, um Nachrichten
miteinander austauschen zu können, auch Regeln miteinander ver-
einbaren und beachten. Denken Sie beispielsweise an die Syntax der Sprache, in der ich jetzt zu Ihnen über das Bild spreche: eine Versammlung von grammatikalischen Regeln. Nun muss aller-dings zugegeben werden, dass wir in unseren alltäglichen Unter-haltungen tausendmal gegen grammatikalische Regeln verstossen, dass wir uns meistens in grammatikalischem Kauderwelsch aus-drücken, ohne dass der Nachrichtenaustausch für den Alltags-gebrauch darunter ernstlich zu leiden hätte. Das kommt daher, dass:
1) unsere natürlichen Sprachen durch weit mehr Regeln organisiert sind als unbedingt logisch notwendig wäre, sodass zehn Regeln verletzt werden können, aber immer noch drei Regeln übrigbleiben, die den Nachrichtenaustausch garantieren. Die Regeln enthalten also Redundanz.
2) dass wir einen Gedanken mündlich in der Regel unzählige Male wiederholen, immer wieder neu formulieren, auf Rückfragen (von andern oder uns selber (laut Denken)) eingehen usw. Wer das Ge-sprochene mit dem Geschriebenen verwechselt, braucht sich bloss einmal die ungestellte Tonbandaufnahme eines Alltagsgesprächs anzuhören; da geht es etwa so:
...Morn am sächsi am Paradeplatz...wie?...Ja, morn zabig, ja am Paradeplatz...worum...jaja...am sächsi.Ja waisch no...ja türli, am Paradeplatz..., nanai:morn.Ja...nai, ich ha nüt voor...also dann morn am sächsi, ... ja , nai morn...usw.
Wozu all die (scheinbar redundanten) Wiederholungen? Sie ent-springen offensichtlich der Sorge, die Signale zu interpretieren, d.h. Sinn und Bedeutungen der ausgetauschten Nachricht festzu-legen. Dennoch bleibt das meiste Ungesagt, dh. beide Teile setzen stillschweigend die Kenntnis eines Kontextes voraus, ohne wel-ches die Unterhaltung unverständliches Gestammel bleiben müsste.
Ich fasse zusammen:
Quelle und Empfänger sind also verbunden durch
a) den Kanal, der zugleich Stör-(Rausch-)qülle ist, und
b) ein gemeinsames (nicht leeres) Zeichenrepertoire (=Durchschnitt
der Zeichenvorräte von Qülle und Empfänger)
c) gemeinsame syntaktische und Interpretationsregeln
d) gemeinsamen Kontext (Hinweise, Erläuterungen, Gebräuche,
Gewohnheiten, Konventionen, common sense etc.)
Die Hinweise ***Der Kontext (1.4)
Eine empfangene Nachricht wird für den Empfänger nur dann
informativ, wenn sie Ungewissheit beseitigt. In unserem Beispiel
wurde die physikalische Darstellung der Nachricht E, das heisst
ein Signal übermittelt, das dem gemeinsamen Repertoire von Qülle und Empfänger entstammt, sodass beide Seiten ihm eine Bedeutung zuordnen und damit als Zeichen (Signalmuster) erkennen konnten. Nehmen wir nun an, der gemeinsame Vorrat umfasse die fünf Vokale U O A E I.Jetzt weiss der Empfänger bei Empfang von Signal E das folgende: E und nicht:(nicht-E) (bezw.E oder Nicht-E, nun E, also nicht:(nicht-E)). Weil die Grundmenge des Repertoires bekannt ist, weiss der Empfänger zudem, dass Nicht-E die übrigen vier Zeichen U O A und I umfasst.
(Abb.)
Erwartet der Empfänger jetzt eine Nachricht, so ist seine
Erwartung also auf etwas ganz bestimmtes, Abgegrenztes, nämlich
auf fünf Möglichkeiten des Eintreffens gerichtet. Er weiss, es
wird gleichzeitig immer nur ein Signal aus der Grundmenge erscheinen bzw. der Fall und alles übrige nicht der Fall sein.
Dh. also, das Bestehen und Nicht-Bestehen wird innerhalb der
Grundmenge des zu Verfügung stehenden, gemeinsamen Vorrats von
Fall zu Fall immer eine der fünf möglichen Configurationen aufweisen:
U und nicht (O A E I),
O und nicht (A E I U),
A und nicht (E I U O),
E und nicht (I U O A),
I und nicht (U O A E).
Jede empfangene Nachricht wird demnach jetzt also die Ungewiss-
heit beseitigen, ob U oder O oder A oder E oder I eintreffen dh.
der Fall sein werde. Derartige Nachrichten sind informativ, und
die beseitigte Ungewissheit nennt man Information.
Viele natürliche menschliche Sprachen arbeiten (wenn wir zunächst
einmal von der Schrift sprechen) mit einem Zeichenvorrat, dessen
Grundmenge das ‚Alphabet' genannt wird und ungefähr 26 Zeichen
umfasst. Durch das Aneinanderreihen der Zeichen lassen sich alle
Wörter von „alphabetisierten" Sprache graphisch wiedergeben, und
ein Gleiches gilt auch für ihre Sätze, deren Aufbau den sogenann-
ten Form- und Syntaxregeln folgt.(Für die Pösie treten noch
metrische Regeln hinzu). Auch die semantische Interpretation von
Wörtern und Sätzen lässt sich auf diese Weise darstellen; in den
Listen des Wörterbuches finden wir beispielsweise ausgeführt, was
das deutsche Wort ‚Musik' bedeutet, und die Grammatik belehrt uns
u.a.darüber, ob der Satz eine wirkliche oder mögliche Sachlage
vorstellt. Das ist eine grossartige Abstraktion. Aber man kann,
wie Sie wissen, noch viel weiter gehen, indem man die Zeichen des
Alphabets ihrerseits ausschliesslich durch zwei von einander
unterscheidbare Zeichen darstellt.(Das „Rechnen mit 0 und 1"
kannte bereits Leibnitz). Die binäre Repräsentation beruht auf
der Methode der Formalisierung, wonach die Elemente einer Zei-
chenreihen ausschliesslich nach der Art des Zeichens (entweder
das eine oder das andere) und nach ihrer Position, dh.also durch
Inhalt und Adresse charakterisiert sind. Für die technische
Datenverarbeitung ist die binäre Repräsentation ideal, weil die
Elemente des binären Alphabets sich durch physikalische Signal-
träger repräsentieren lassen, die nur zwei Zustände kennen (zB
entweder schwarz oder weiss, gelocht oder nicht gelocht, magneti-
siert oder nicht magnetisiert, positiv oder negativ geladen etc),
und die, mit Adressen versehen, zu Seqünzen (bitstrings)
angeordnet werden können. Der Begriff ‚Bit' (binary digit) ist
SHANNON zu verdanken, der schon 1948 gezeigt hat, dass auf diese
Weise auch Konzepte wie ‚Nachricht', ‚Information' und
‚Redundanz', aber auch ‚Kanalkapazität' etc. quantitativ elegant
erfasst werden können. Mit den digitalen Computern ist das ja alles längst technische Wirklichkeit geworden. In der elektro-nischen Musik arbeiten die Komponisten heute allerdings auch in den modernsten Studios noch ausschliesslich mit analogen Techni-ken; aber schon seit 1957 wurde der digitale Computer versuchs-weise für die Komposition von in Zahlen codierten konventionellen Partituren eingesetzt (HILLER u.ISAAKSON, Urbana University, Iowa USA, 1960 XENAKIS in Paris und 1964 KÖNIG in Bonn), und seit 1958 arbeitet MATHEWS (Bell Labs) an der Entwicklung eines Programms, das die Funktion des analogen (spannungsgesteürten) Studios simuliert(000). Und damit sind wir wiederum beim Klang angelangt.
000 MUSIC V wurde 1958-67 in Bell Telephone Labs entwickelt. In
ahnlicher Weise entwickelte Ciamaga in Toronto das Programm PIPER
2 zur Besteürung eines analogen Synthesizer. M's Technology of
Computer Music erschien erst 1969. Das Groovesystem und Risset's
digitale Klangsynthese habe ich erst 1970 anlässlich des
Stockholmer UNESCO-Kongresses kennengelernt. Vgl. 0000
Die gesprochene Sprache vermag auch dasjenige auszudrücken, was
durch die Alphabetisierung der graphisch notierten Sprache verlo-
ren ging: Timbre, Rhythmus und Sprachmelodie (Intonation und
Stress). Der Versuch, auch die gesprochene Sprache mittels
„klingender Buchstaben" gewissermassen zu „Alphabetisieren" ist gescheitert; dagegen hat sich der Aufbau von klingender Sprache aus einer Art von Silben als fruchtbar erwiesen. In der Ver-gangenheit war beim Bau von „sprechenden Apparaten" mehr Charla-tanerie als Forschung im Spiel gewesen, aber seit den Stimmgabel-versuchen von Helmholtz hatte man in der Fourier-Reihenentwick-lung ein mathematisches Modell gefunden, dessen Interpretation zu einer noch heute gültigen Theorie der Stimmsignale und des Ohres führte. Schwieriger als die Klangfarbe sind die Arikula-tion, vorallem aber der melodische Verlauf und die Betonungen in den Griff zu bekommen. Das rührt daher, dass derartiges bedeutend weniger vom Satzbau als vom Satzinhalt bestimmt ist. Die hörbare Klangstruktur der Sprache und der ausgedrückte Inhalt unterliegen nicht denselben Gesetzen, und eine Beziehung zwischen den beiden Ebenen zu finden stellt die Sprachforschung vor immense Proble-men.(000 CHOMSKY)
Für die elektronische Musik sind die Erfahrungen der Sprachsyn-
these von grosser Bedeutung. Ein Grund ist darin zu sehen, dass
jedes klanggenerierendes System, das die Sprachsynthese zu bewäl-
tigen vermag, auch für die musikalische Synthese kräftig genug
sein wird. Trotz unterscheidender Merkmale ist das Verhältnis von
Musik und Sprache sehr innig. In der Pösie der Alten zur Einheit
verschmolzen, haben Musik und Sprache sich später getrennt und
sind eigene Wege gegangen, die sie immer weiter auseinander
brachten, ohne dass jedoch die Spuren der gemeinsamen Vergangen-
heit ganz verwischt worden wären. Vieles in der Musik scheint uns
heutigen „eigengesetzlich" wo es doch nichts anderes ist als die
nicht mehr erkannte Stilisierung von Melodie, Rhythmus und Metrum
der gesprochenen Sprache; wer eine erstklassige italienische Auf-
führung von Rosinis ‚Barbiere' miterleben konnte, weiss mit
welcher Souplesse die italienischen Sänger nahtlos vom eilenden
secco zum accompagnato, zum arioso und zur statischen Arie
überzugehen wissen.(99)Anderes wiederum scheint von höchst speku-
lativer Art, beispielsweis die Herrschaft der ternären Metren in
der Musik des Hochmittelaters als Abbild der Trinität. Und
schliesslich wollen wir nicht vergessen, dass ungemein viel über
Musik gesprochen und geschrieben wird. Tonleitern beispielsweise
lassen sich zwar durch Vormachen „zeigen", wie das noch heute
guter Handwerksbrauch ist, aber die Begründung ihres Was und Wie
geschieht mittels erklärender Aussprachen über Musik, mit Sätzen
also, die in ihrer Gesamtheit die „Musiktheorie" ausmachen. Dass
diese Tonleitern für den Deutschen laut oder leise von tief nach
hoch aufsteigen, während dieselben gammes für den Franzosen
fortes ou douces sind und von grave nach aigü hinüberleiten, ist
einzig und allein aus der deutschen bzw.französischen Sprache
hergeleitet, in der über Musik geredet wird. (Für die alten
Griechen stiegen Tonleitern nicht, sondern sie fielen.) Nicht nur
in derlei Qualitätsbeschreibungen drückt die Sprache der Musik
ihren Stempel auf, sondern durch sie wird die Musik auch
verknüpft mit den semantischen Axiomen, welche die Sprache
regieren. Schillernd und der pötischen Fantasie weitesten Spiel-
raum gewährend in ihren Wortverbindungen, die wie im Traum das
Mögliche und Unmögliche ineinander schlingen, wird dieselbe
Sprache zum unerbittlichen Gesetzgeber und Richter, sobald sie
von „ernsten" Dingen handelt.(Vgl.Novalis, Blütenstaub))
Aussagen sind entweder wahr oder falsch;
Dingen kommt eine Eigenschaft x entweder zu oder nicht zu;
Seit den Tagen der Stoischen Philosophen scheint es dem abend-
ländischen Menschen wenig zweifelhaft, dass der menschliche
Intellekt logisch zweiwertig operiert; die Entscheidungen, die er
fällt, sind von der Art: JA/NEIN, WAHR/FALSCH (wobei gilt:
nicht(zugleich JA und NEIN), nicht(zugleich WAHR und FALSCH)).Zwar
sind schon in der Hochscholastik sogenannte mehrwertige
Denksysteme aufgebaut worden (Ja / möglich / nein), und hat die
moderne Aussagenlogik mehrwertige Kalküle von grosser Eleganz
geliefert (u.a.Lukasiewicz), aber ich sehe auch in weiterer
Zukunft weder IBM noch seine Gegner Computers auf den Markt
werfen, denen eine mehrwertige Logik zu grunde läge. Der
menschliche Geist versucht scheinbar unentwegt, Gegensatzpaare zu
bilden, die mit den logischen Ja/Nein- und Wahr/Falsch-
Entscheidungen verknüpft werden können und in Kosmogonien als
Gott/Teufel, Gut/Böse, Licht/Finsternis, Jing/Jang, Männlich/Weib-
lich, Leben/Tod, Sein/Nichts usw. ihr Wesen treiben, aber auch in
unserem Alltagsleben und, was uns besonders interessiert, in der
Musik manifest werden. So sprechen wir von hohen oder tiefen
Tönen, von hellen oder dunklen Klängen, von laut oder leise,
von kurz oder lang, schnell oder langsam usw. Diese
Gegensatzpaare bilden den Rahmen für ein Begriffsnetz, innerhalb
dessen sich die Sprache der Aussagen über Musik bewegt. In der
Begriffswelt des Musikers sind die „Parameter" seiner Kunst, dh.
Tonhöhe, Klangfarbe, Lautheit oder Zeitdaür, aber auch der
Tonort durch derartige Paare gekennzeichnet und bilden einen n-dimensionalen Raum, innerhalb dessen sich Musik als materielles Geschehen beschreiben lässt:
Tonhöhe: hoch/tief
Klangfarbe: hell/dunkel
Lautheit: laut/leise
Dynamik: crescendo/diminündo
Zeitdaür: lang/kurz
Tempo: schnell/langsam
Agogik: accelerando/rallentando
Tonort: rechts/links, vorn/hinten, (oben/unten).
Nun könnte man zwar einwenden, dass es sich hier um ein früheres
Stadium der Erkenntnis handle, dass die Kunst noch dem archaisch-qualitativen Denken verpflichtet sei, das auch die Wissenschaften einst gekannt und überwunden hätten zugunsten eines (erst relati-ven und schliesslich absoluten) quantitativ-metrischen Systems (kalt/warm ---> absoluter Nullpunkt = 0 Grad Kelvin). Ich denke, das muss ernstlich erwogen werden.(1.5)
Die Musik unserer Gegenwart scheint sich aber wenig darum zu küm-mern, wie das Beispiel des Werks ‚Kontakte' von STOCKHAUSEN (1954) zeigt. Die komplexe Erscheinungsform dieser Musik geht auf eine sehr einfache Gliederung des Klangmaterials in Gegen-satzpaare zurück.Das folgende Schema möge es zeigen:
elektronisch instrumental
Klang Geräusch
_____________________ _______________________
tief hoch tief hoch
Metall:
4+4 Herdenglocken 1+1 ind.Schellenbundel
13+3 Cymb.ant. 1+1 Becken
1+1 Hihat
1 Gong
1 Tamtam
Fell:
1 Bongo 1+1 Bongo als Rassel
3 Tomtoms Tomtoms mit Besen
1 kl.Tr.ohne Schn. 1 kl.Tr.mit Schn.
Holz:
Marimba 1+1 Pendelrassel
2 Holztrommeln 2+2 Woodblocks
3 Tomtoms mit Sperrholzplatte
1 Güro
Klavier:
Klavier Klavier Klavier Klavier
(Clusters) (Clusters)
Da vom Komponisten nicht Gegensätzlichkeit, sondern engste Kon-
takte zwischen elektronisch und instrumental betw. mechanisch erzeugten Klängen angestrebt wird, drückt die Strukturierung mittels Gegensatzpaaren auch dem elektronischen Klangpart den Stempel auf. Für den Gesamtverlauf strebt der Komponist eine, wie er es nennt, „Momentform" an. Ich zitiere:
„(Formen) die von dem Schema der dramatischen finalen Form weit
entfernt sind; die weder auf den Klimax noch auf vorbereitete und
somit erwartete mehrere Klimaxe hin zielen und die üblichen
Einleitungs-, Steigerungs-, Uberleitungs- und Abklingstadien
nicht in einer auf die gesamte Werkdaür bezogenen Entwicklungs-
kurve darstellen; die sofort intensiv sind und -ständig gleich
gegenwärtig- das Niveau fortgesetzter „Hauptsachen" bis zum
Schluss durchzuhalten suchen; bei denen man in jedem Moment ein
Minimum oder ein Maximum zu erwarten hat und keine Entwicklungs-
richtung aus dem gegenwärtigen mit Gewissheit voraussagen kann;
die immer schon angefangen haben und unbegrenzt so weiter gehen
könnten; in denen entweder jedes Gegenwartige zählt, oder gar
nichts; in denen nicht rastlos ein jedes Jetzt als blosses
Resultat des Vorausgegangenen und als Auftakt zu Kommendem, auf
das man hofft, angesehen wird, sondern als ein Persönliches,
Selbstandiges, Zentriertes, das für sich bestehen kann, und als
Einzelnes immer das Ganze in sich birgt; Formen, in denen ein
Augenblick nicht Stückchen einer Zeitlinie, ein Moment nicht
Partikel einer abgemessenen Daür sein muss, sondern in denen die Konzentration auf das Jetzt -auf jedes Jetzt- gleichsam vertikale Schnitte macht, die eine horizontale Zeitvorstellung qür durch-dringen bis in die Zeitlosigkeit, die wir Ewigkeit nennen: eine Ewigkeit, die nicht am Ende der Zeit beginnt, sondern in jedem Moment erreichbar ist."
(STOCKHAUSEN: Die unendliche Form. Nachtprogramm des WDR Köln v.12.01.1961)
Trotzdem der Komponist also eine zeitlose „Momentform" ohne
Peripetie postuliert, zeigt seine Komposition einen deutlichen
Gesamtverlauf, der eingespannt ist in das Gegensatzpaar Dunkel/
Hell. Entsprechend seiner Konzeption realisiert Stockhausen in
seinen Kontakten einen Klangtransformationsprozess, der sich
ständig auflichtet und mit möglichst hellen und ätherischen
Klängen abschliesst. Es ist zudem bekannt, dass Stockhausen, in
Zeitnot geraten, wie das so oft geschieht, um Initium und Finale
seiner Komposition gerungen und der ursprünglichen Fassung zwei nachkomponierte Seqünzen vorangestellt hat, die in den Skizzen als Seqünzen -II und -I erscheinen und dem Stück einen Anfang geben sollten. Auch hier war es offensichtlich in der Praxis schwieriger als in der Theorie, dem Gegensatzpaar Anfang/Ende zu entrinnen.
Ich werde an späterer Stelle auf die Funktion von Gegensatzpaaren im musikalischen Denken zurückkommen; dann nämlich, wenn einer-seits die Frage nach den absoluten Maassen in der Musik aufgewor-fen und anderseits die Codierung von elektronischer Musik auf Lochstreifen besprochen werden sollen. Im Augenblick kehren wir jedoch zur Betrachtung der binaren Nachrichtenübermittlung mit-tels zweier Zeichen zurück.
Wanderung 1950 von Tuln nach Rollfähre Melk. Herr Doktor, ihr Zug!(da es nur einen einzigen per Tag in Richtung Ensbrücke-Linz gab).
Wir stellen uns nun vor, dass es an den Ufern der Donau irgendwo
eine Bahnschranke gab, unweit meines gastlichen Bahnhöfleins,
jedoch ohne Sichtverbindung mit diesem (der belaubten Bäume des
Aulandes und der vielen Krümmungen wegen). Die Schranke werde von
einem Wärter (von Hand) bedient, der zwar die Fahrzeiten der
regulär verkehrenden Bimmelzüge und die Tageszeit kennt, aber
seinen Schliessbefehl doch mittels eines Glocken- oder Licht-
zeichens vom Stationsvorstand (meiner holden Wirtin) erhält. Wird
nun zu einem Zeitpunkt, wo ein Zug und also vorher eine Nachricht
zu erwarten ist, der Schliessbefehl gegeben, so ist für den
befehlsempfangenden Bahnwärter die Ungewissheit beseitigt. Er
weiss jetzt: Zug wird kommen, Schranke schliessen! Bleibt der
Befehl indessen aus, so ist der Wärter im Ungewissen darüber, a)
ob der Zug verspätet ist, b) ob der Kurs ausfällt, c) ob der
Stationsvorstand seinen Befehl zu erteilen vergessen, d) ob jener
oder e) der Zug oder f) beide verunfallt sind oder g) das šber-
mittlungssystem am Ende versagt hat ...h)i)k)usw. Für den
befehlserteilenden Stationsvorstand ist die Angelegenheit noch
ungünstiger. Schickt er den Befehl: Zug wird kommen, Schranke
schliessen! so bleibt er dennoch im Ungewissen a) ob die
Nachricht den Wärter erreicht und b) ob der Wärter den Befehl
ausgeführt hat. Schickt er dagegen keinen Schliessbefehl, so
bleibt für ihn ebenfalls ungewiss, ob der Wärter vielleicht im
Glauben, das Signal überhört oder übersehen zu haben, dennoch die Schranke geschlossen hat.
Eine derartige Nachrichtenübermittlung könnte also ihren Zweck nur ungenügend erfüllen, denn sie beseitigt zu wenig Ungewiss-heit, übermittelt also zu wenig Information. Und dies nicht etwa, weil zwei Zeichen nicht ausreichten, sondern, weil die Nachricht in unserem Beispiel nur in einer Richtung übermittelt werden konnte, nämlich vom Stationsvorstand zum Wärter. Sobald man jedoch dieses ein-wegige šbermittlungssystem durch die Möglich-keit der Rückmeldung zum zwei-wegigen System erweitert (two way com-munication), so kann mittels zweier Zeichen die erforderte Infor-mation wohl übermittelt werden.
In der Technik ist es längst bekannt, dass durch zweiwegige
Nachrichtenübermittlung sogenannte Regelkreise aufgebaut und
damit automatische Steürsysteme geschaffen werden können. Be-kannte einfache Beispiele von Regelkreisen sind die Heizung oder der Eiskasten mit Temperaturregelung durch den Thermostaten. Der Thermostat einer Heizung zB. vermag festzustellen, ob eine gewünschte (oder Soll-)Temperatur wohl oder nicht erreicht ist. Gemäss dieser von der Heizung erhaltenen Information gibt er seinerseits wieder eine Information ab, die zur Heizung zurück-geleitet wird und sie in oder ausser Betrieb setzt.
(Abb.)
Auf solche Vorgänge der Rückführung einer Information, die von
der erhaltenen Information abhängt, wird heute der aus der
Rundfunktechnik entlehnte Begriff der Rückkoppelung oder des
Feedback in allgemeiner Weise angewendet. Es ist das Verdienst
der Kybernetik und des Begründers dieser Wissenschaft, Norbert
Wiener, gezeigt zu haben, dass allen Steürungsvorgangen in Natur
und Leben Rückkoppelungsketten zugrunde liegen.(1.6) So interes-
sant die Aspekte sind, die dadurch erschlossen werden, sie
könnten und dürften uns im Augenblick nicht interessieren, wenn
sie für die Musik ohne Wichtigkeit wären. Aber das Gegenteil ist der Fall. Rückkoppelungvorgänge stehen am Anfang aller musika-lischen Betätigung des Menschen überhaupt, und ohne sie gäbe es keine Musik.
Wir versuchen, uns mit diesem Sachverhalt vertraut zu machen. Wer immer musiziert, der hört sein eigenes Spiel und vergleicht es mit seiner Vorstellung. Sein eigenes Ohr amtet also als Monitor.
Dies allein befähigt den musizierenden Menschen, in jedem Augen-
blick sein Musizieren auf eine Weise zu regeln, dass es seiner
Vorstellung auch tatsächlich entspricht.
***********Taubstumme
(Abb.)
Auf ein solches Verfahren der Steürung durch zweiwegige Infor-
mationsübermittlung ist jedes Musikinstrument konzipiert. Nir-
gends findet sich (um ein sehr einfaches Beispiel herauszu-
greifen) an der Geige, an der Flöte oder gar am hochmechani-
sierten Flügel eine Anzeige für den Bogen-, den Atem- oder
Fingerdruck, dessen das Instrument bedarf, um einen Mezzoforte-
ton zu erzeugen. Einzig die Rückführung zum Ohr des Spielers, der
den erklingenden Ton mit seiner Vorstellung vergleicht und
regelnd mit dieser in Einklang bringt, vermag dem Vortrag seine
gewünschte Erscheinung, also seine Sollwerte zu geben. Aber auch
wo das Instrument (wie etwa die Orgel) dem Spieler in grosser Zahl bereits festgelegte Werte aller Art offeriert (Lautstärken-, Tonhöhen-, Klangfarbenwerte), bleibt nicht nur die Zeitdaür, sondern ist vorallem auch das Zusammenwirken aller Komponenten zu regeln. Und das kann nur durch das Ohr des Spielers geschehen.
Sie alle kennen die Musikerpraxis, wonach das Tempo eines Werks bei der Aufführung den Bedingungen des jeweiligen Raumes ange-passt wird. In einem Kirchenraum mit seinem langen Nachhall werden dieselben Werke langsamer vorgetragen als es im Konzert-saal geschieht. Žhnliches unternimmt jeder Interpret u.a. auch in Hinsicht auf Klangfarbe und Artikulation seines Vortrags, indem er diese den veränderten Raumbedingungen laufend anpasst; das heisst: die Störfunktionen im šbermittlungskanal werden zum Ohr zurückgeleitet und beeinflussen den Vortrag.
(Abb.)
Ziehen wir nun auch den Zuhörer in Betracht. Zwar beschränkt er
sich darauf, dem Spiel des Interpreten zuzuhören, wie es in
Schauspiel und Konzert bei uns (wenigstens heute noch) allgemein
üblich ist. Aber ohne selber weder sprechend noch musizierend in
das Spiel einzugreifen, geht das Publikum doch mit, reagiert es,
antwortet es. Vom Spieler wird diese Antwort wahrgenommen, und
sie beeinflusst seinen Vortrag.
(Abb.)
Klingende Musik ist also offenkundig gebunden an einen wechsel-weisen Informationsaustausch, Und dieses Wechselspiel, das Inter-preten, Raum (bezw. Kanal) und Zuhörer umgreift, ist die Natur einer jeden Aufführung.
Man kann die Aufführung als Regelkreis auffassen. Ich will es tun
und dabei allerdings zugeben,
dass die ausgetauschten Signale an Zahl jetzt bei mus.Auff. nicht
bloss zwei, sondern wahrscheinlich eine infinite Menge sind und
dass zudem jedes Signal bzw Signalfolge jetzt sehr komplex ist
dass der Nachrichtenaustausch enorm komplex ist.(1.7) Das ändert
jedoch absolut nichts an der Tatsache, dass der Sinn der ausge-
tauschten Nachrichten keineswegs in den übermittelten Signalen
liegt. Das gilt für die komplexen, durch Rückkoppelungsketten
vielfältig gesteürten Signalfolgen, die der Musiker seinem
Zuhörer übermittelt, ebenso gut wie für das schlichte, an den
Bahnschranken-Wärter übermittelte Signal. Signale haben keinen Sinn, sondern nur die Möglichkeit, einen Sinn auszudrücken. Der Bahnschranken-Wärter gibt dem Klingel-oder Lichtzeichen den Sinn:
„Schranke schliessen!" Der Soldat aber würde „Feür!" verstehen, der Zivilist „Bitte Haustüre öffnen!". Zudem liessen derartige Sinne sich durch Absprachen, schlechten Willen, Sabotage (oder weiss ich was) in ihren Gegensinn umpolen („Schranke öffnen!
Feür einstellen! Haustüre schliessen!"). Es kann also mancherlei
Sinn in ein übermitteltes Signal hinein gelegt werden. Damit aber
die Informationsübermittlung gewährleistet sei, muss allerdings
einer dieser möglichen Sinne, gleichgültig welcher auch immer,
zwischen Qülle und Empfänger irgendwie abgesprochen sein. Nehmen
wir zB. das Telefon. Klingelzeichen heisst da nach allgemeiner
Konvention: Achtung Anruf! Aber nichts hindert mich, mit meiner
Frau zu vereinbaren, dass an einem bestimmten Tag schlags 12 Uhr
das Klingelzeichen per Telefon den Sinn haben soll:"Ja, wir
fahren morgen!" oder: „Nein, es ist nicht geglückt!" (Zwischen
Genf und Zürich lassen sich damit enorme Taxeinsparungen erzie-len.)
Um auf die Musik zurück zu kommen, heisst das: die Signale, mit
denen die Musik übermittelt wird (seien es nun die grafischen
Signale der Partitur, seien es die elektrischen des Tonbands oder
die mechanischen Luftdruckschwankungen, die als Schall unser Ohr
erreichen) sind sinnlos. Sie enthalten nur die Möglichkeit, einen
Sinn auszudrücken. Dieser Sinn muss jedoch vom Zuhörer in die
Signale hinein gelegt werden. Nehmen wir nun an, Musik sei mehr
als bloss eine Art von Rorschachtest-Bildþ wie die Figur, die ich
Ihnen gezeigt und in die wir zürst den Sinn „Labyrinth von
Knossos", dann den Sinn „enthält das Zeichen E, von Rauschen
gestört" gelegt haben. Nehmen wir also an, Musik sei Kommunika-
tion, sei über-mittelte Nachricht, dann wird es klar, dass der
Zuhörer über die empfangenen Signale hinaus noch einer Menge von
Hinweisen bedarf, um in die Signale einen Sinn legen zu können,
der sich auch nur einigermassen deckt mit dem Sinn, den der
Komponist selber seinen Signalen gegeben hatte. Diese Hinweise aber liegen nicht in den empfangenen Signalen und also nicht im musikalischen Werk als Objekt, das über sich selber ja gar nichts auszusagen vermag. Für alle herkömmliche Musik stammen diese Hinweise ****** aus dem komplexen Wechselspiel, das wir die ‚Aufführung' genannt haben. Am selben Ort und zur selben Zeit (HIC et NUNC) versammelt die Aufführung den Komponisten bezw.
seine Interpreten und eine Vielzahl von Hörern, die meistens
durch Herkunft, Erziehung, Unterweisung, Gewöhnung usw. bereits
ähnliche Voraussetzungen mit sich bringen und, wenn der Funke
zündet, zu einer einzigen Gemeinde verschmelzen, weil ein und
dieselbe Sinngebung sie alle verbindet. Das ist das Geheimnis der Aufführung; ein Geheimnis, das sich, wo immer Menschen zur selben Zeit am selben Ort zusammengekommen sind, ereignen kann, und das im HIC et NUNC von religiösen Mysterien wie der Eucharistie gültigen Ausdruck findet. Es ist also klar: die Kunst bedarf eines logischen Raumes und bestimmter Voraussetzungen, um über-haupt ins Spiel kommen zu können! Sind diese Voraussetzungen ohne weiteres gegeben?
Ich habe an früherer Stelle gezeigt, dass Teile einer Mitteilung ihre Bedeutung vom Sinn erhalten, der dem Ganzen gegeben wird.
Damit erledigt sich die Frage, ob Musik eine Sprache sei. Sie ist
es im Moment, wo ihre Aufführung alle beteiligten Glieder (das
heisst also Qülle(Komponist, Interpret(en)), Empfänger(Publikum),
Kanal(zB.Konzertsaal incl.Rauschen), Nachricht(das gespielte
Werk))durch gemeinsame Sinngebung zur Gemeinde vereint.Denn
dann, und allerdings nur dann, hat jedes Element der aufgeführten Musik tatsächlich seine Bedeutung erhalten.
Es lässt sich nun noch die Frage aufwerfen, ob denn die Kunst
nicht über Signale verfüge, die unmittelbar, dh.ohne Hinweise zu
wirken vermögen? Es steht doch zum Beispiel ausser Zweifel, dass die stampfende Metrik einer Tanzdielen- oder Marschmusik dem Hörer „in die Beine fährt", ihm also ein Verhalten aufzwingt, dem er sich nicht zu entziehen vermag. Man versuche bloss einmal, seinen Schritt zu den Klängen einer Marschmusik ausserhalb des mit Cinellen und grosser Trommel gestampften Metrums zu halten; es wird nicht gelingen.(1.71) (Und es soll ja auch nicht gelingen können!) Ebenso kann beobachtet werden, dass der menschliche Herzschlag des Hörers sich einem angebotenen akustischen Metrum nach kürzerster Zeit anzugleichen beginnt.þ (Heute beeinflusst man gefährdete Herzen ja auch mit „Schrittmachern".) Selbstver-ständlich sind derartige elementare Wirkungen nicht zu leugnen. ***** Sie enstpringen jedoch einer Kommunikation, die als nicht-kooperativ vom kooperativen Informationsaustausch wohl zu unter-scheiden ist. Denn es sind schliesslich zweierlei Dinge, ob ich jemanden gegen seinen Willen ins Wasser stosse oder ob jemand meiner Aufforderung: Spring ins Wasser! freiwillig Folge leistet (Colin Cherry (2.1)). Zwar gibt es nicht-kooperative Kommunika-tion in jeder Kunst, aber sie ist auf einige wenige Elementarwir-kungen beschränkt und findet naturgemäss vorzugsweise in der Ausbeutung des Konsumenten durch eine ihre Wirkung kühl berech-nende Unterhaltungsindustrie reiche Verwendung.**** Echte Kunst indessen weiss stets die Freiheit und Würde des Menschen zu wahren. (1.8)
Fussnote:
(2.1) C.Cherry, Kommunikationsforschung - eine neue Wissenschaft (S.Fischer 1963)
(99) Harnencour hat die Vermutunng ausgesprochen, dass die
Sonatenform eine musikalische Anwendung von Figuren aus
Bossüt's ‚Oraisons funebres' darstellt. (Radiointerview v.00)
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Zweite Vorlesung vom 20.Mai 1968
Vorbemerkungen
In Paris halten die Studenten und viele mit ihnen sympatisierende
Professoren seit Tagen die Sorbonne besetzt. Das Theater de
France im Od‚on ist gestürmt und von den Studenten besetzt
worden. Gegen die Anordnungen ihrer Syndicate halten franzö-
sische, mit den Studenten sympatisierende Arbeiter zahlreiche
Grossbetriebe der französischen Industrie besetzt, so: Renault,
Le Creusot, Berliet, Rhone-Poulenc, Snav, Hispano-Suiza, Unelec,
Saviem, Sud-Aviation, Chantiers Navals und Snemca. Am Freitag
haben sich die Regisseure, Techniker und Scripts der staatlichen
O.R.T.F. im Studio 105 an den Buttes-Chaumont und im Studio 102
der Maison de la Radio versammelt zu einer Grossdemonstation, die
folgende Beschlüsse gefasst hat: Gefordert wird die Demission der
Generaldirektion, Formierung eines Adninistrativrates, dessen
Prasident das Amt eines Generaldirektors der bisher gouver-
nementalen O.R.T.F. sein wird, vollstandige Autonomie des Radios
und des Fernsehens gegenuber jeder Art von Regierungsministerium,
Wiederherstellung des Streikrechts und ein vom Personal ausge-
arbeitetes Statut. In Cannes wurde uber das Wochenende der
Filmfestival durch franzosische und ausländische Regisseure ge-
sprengt, an deren Spitze sich Truffault, ein bisher völlig
unpolitischer Cineast gestellt hat. An die Tore ihrer Sorbonne
haben die Studenten folgendes Manifest genagelt:
"La r‚volution qui commence remettra en cause non seulment la
soci‚t‚ capitaliste mais la soci‚t‚ industrielle. La sociEtE de
consommation doit p‚rir de mort violente. La sociEtE de
l'ali‚nation doit p‚rir de mort violente. Nous voulons un monde
nouveau et original. Nous refusons un monde ou la certitude de ne
pas mourir de faim s'‚change contre le risqü de p‚rir
d'ennui."øø
Der konservative FIGARO schreibt vorgestern:
"Le dEbat sur l'UniversitE d'audjourd'hui appelle nEcssairement le
d‚bat sur la soci‚t‚ de demain."
Ich bitte Sie, im Auge zu beahlten, dass die Dinge, die wir in
unse-rem Kurs behandln, und besonders meine heutigen Ausfuhrungen
in engstem Zusammenhang mit den erwahnten Geschehnissen stehen.
Doch zunachst will ich zusammenfassen, was wir letztes Mal
erarbeitet haben.
*********Zusammenfassung:
Der Einbruch der Elektroakustik in die Musik des 20.Jhrhunderts:
1876 Graham Bell: Telefon. 1877 demonstriert er in New York sein
musikalisches Telefon.(1.9)
1877 hat Edison den Phonografen erfunden.(1.10) In den Jahren
1910-12 ist die Elektronenröhre entwickelt worden. Damit sind
zwei Grundsteine gelegt worden: 1) der Grundstein für die
Technik der zunächst mechanischen, später elektromagnetischen
Speicherung von akustischen Signalen. Und das bedeutet: Überwin-
dung der zeitlichen Flüchtigkeit akustischer Geschehnisse.
2) der Grundstein für die elektromagnetische Nachrichtenüber-
mittlungstechnik, und das bedeutet: šberwindung der Distanz.
Distanz und Zeit sind überwunden und in der Folge ist auch die
Bindung jeder Aufführung an das HIER und JETZT durchbrochen
worden. Früher konnten Gespräche nur dann geführt, Konzert- und
Theateraufführungen nur dann abgehalten werden, wenn alle Betei-
ligten zur selben Zeit am selben Ort zusammen kamen. (Man denke
zB. auch an die schweizerischen Landsgemeinden!) Gewiss wurden
Nachrichten auch schon früher über weite Distanzen ein-ander
zugetragen, aber es brauchte dazu stets eine beträchtliche
šbermittlungszeit. Die heutige Fernmeldetechnik dagegen arbeitet
sozusagen trägheitslos; was JETZT am einen Ende der Fernsprech-
leitung gesprochen wird, erreicht ebenfalls gleichsam JETZT das
andere Ende der Leitung.Die moderne Fernmeldetechnik hat es also
ermöglicht, die Distanz zu überwinden ohne an die Zeit gebunden zu
sein. Das ist das Eine.
Und das Andere ist die Errungenschaft der Speicherungstechnik, die
es erlaubt, die Zeit zu überwinden, ohne an den Ort gebunden zu
sein.
Sie werden jetzt zB. noch einmal hören, was ich söben gesprochen
habe. Von den letzten Minuten meines Vortrags wurde nämlich eine
Tonaufnahme gemacht, die ich jetzt abspielen lasse. Nach Schluss
der Vorlesung werde ich das Tonband in meine Mappe stecken, nach
hause tragen, wo ich mir das gespeicherte wann und wie oft immer
es mich gelüstet, vorspielen kann. (Tonband)
Von den ersten Pionier-Rundfunksendern nach Ende des ersten
Weltkriegs ist Musik zunächst bloss als Lückenbüsser zwischen
Gesprochenes eingelegt worden. Aber bald haben die Musiker (oder
vielleicht waren es die Manager?(1.11)) die enormen Möglichkeiten
erkannt, welche in der Fernübertragung von musikalischen
"Aufführungen" liegen. Aber auch gespeichert wurden Musikauf-
führungen schon sehr früh (ab 1920). Allerdings scheint es, dass
nicht die "klassischen", sondern die Jazzmusiker als erste
erkannten, dass mit der Schallplatte nicht nur ein neues Spei-
cher-Verfahren, sondern auch ein völlig neues Element in die
Musik gekommen war, das der Grafik im Bereich der darstellenden
Kunst sehr ähnlich ist. Die Jazzmusiker haben ihre Musik von
allem Anfang an für die Vervielfältigung durch die Schallplatte
kon-zipiert (zB. die 3 Minuten-Daür aller ihrer frühen Stücke.)
Sie haben Art und Niveau ihrer Musik den Möglichkeiten und
Bedingungen der neün musikalischen "Grafik" angepasst und also
irgendwie erkannt, dass etwas völlig Neüs vorlag. Die Schall-
platte kam zB. der Gewohnheit der Jazzmen zur Improvisation ohne
Noten entgegen, weil sie die Speicherung von Musik mittels
grafischer Zeichen ohnehin überflüssig machte.(STOCKOWSKY 1932/33
in 'New horizons in music' und 1935 in 'New vistas in music':
"One can sè coming ahead a time when a musician who is creator
can create directly into tone, not on paper.")
Die "klassischen" Komponisten haben sich den technischen Neürun-
gen gegenüber mit wenigen Ausnahmen verständnislos, konservativ
oder sogar ablehnend verhalten. Ganz anders der hellsichtige
Feruccio BUSONI; 1906 schrieb er: "Plötzlich eines Tages, schien
es mir klar geworden: dass die Entfaltung der Tonkunst an unseren
Musik-instrumenten scheitert." Es war ihm nämlich kurz vorher
bekannt geworden, dass der Amerikaner CAHILL eine neuartige, auf
elektrischer Grundlage beruhende pfeifenlose Orgel gebaut und mit
ihr sogar über Fernsprechleitungen Konzerte mit Erfolg übertragen
hatte. Was Busoni an den Möglichkeiten der neün, elektromagne-
tischen Nachrichtentechnik frappiert hatte (1907, wo auch die
Elektronenröhre fertig entwickelt war), das war die Möglichkeit,
mechanische durch elektrische Klangerzeugung zu ersetzen. Für ihn
bedeutete das den Ausbruch aus den engen Grenzen der Tonsysteme
und Klangfarben der traditionellen Musikinstrumente, die ihre
Klänge ausnahmslos auf mechanischem Weg durch Streichen, Schlagen
und Zupfen von Saiten, durch Anblasen von Rohren, Schlagen von
Stäben und Rühren von Fellen hervorbringen. Die elektrische
Klangerzeugung versprach neü, bisher unbekannte Möglichkeiten.
Nun begann die grosse Zeit des elektrischen Instrumentenbaüs:
elektrische Orgeln (Baldwin, Trautonium etc.) verschiedenster
Konstruktion entstanden in grosser Zahl. Aber auch elektrische
Geigen(1.12), Bratschen, Celli und Kontrabasse sowie Flügel, dh.
herkömmliche Musikinstrumente mit nunmehr sehr verkümmerten Reso-
nanzkästen, die durch piezölektrische Tonabnehmer, Verstärker
und Lautsprecher ersetzt waren. Hervorstechend an allen diesen
Bestrebungen ist die Tatsache, dass man zwar die mechanische nach
Möglichkeit durch die elektrische Klangerzeugung zu ersetzen
suchte, sonst aber alles beim Alten blieb. So weisen zB. beinahe
alle elektrischen Orgeln aus der Zeit Manuale mit herkömmlichen
Tasten auf, obwohl derartiges doch ursprünglich der šbertragung
der Muskelkraft zarter Finger auf Windladen, auf Saiten-anreis-
sende und -schlagende Dornen und Hämmer gedient hatte, während
jetzt bloss elektrische Kontakte zu schliessen waren, wozu
bereits ein kleiner Schalter mit Druckbelastung von wenigen
Grammen genügt (eine Flügeltaste braucht immerhin ca 70 Gramm
Belastung!). Dieses Kleben am Alten hatte zur Folge, dass man aus
dem herkömmlichen wohltemperierten Stimmungssystem trotz Busonis
Warnung nicht herausfand, obwohl Versuche zB mit dem Vierteltonk-
lavier von Haba und dem Sphärophon von Mager gemacht worden sind.
Es war hier dasselbe wie im Automobilbau: vor 1933 hatte niemand
die Rolle, die der Luftwiderstand bei der Fortbewegung spielt,
berücksichtigt. Man hatte Autos im Sinne von motorisierten
Kutschen gebaut, und die Stromlinienform wurde, wo sie auftrat,
zunächst nicht aus technischen, sondern aus rein ästhetischen
Gründen geschaffen. Allerdings gab es auch hier einen Mann, der
seiner Zeit voraus war: Edmund RUMPLER. Er baute bereits 1921 den
sogenannten "Tropfenwagen", dessen Form nach ärodynamischen
Gesichtspunkten entworfen und einem VW-Käfer ähnlich war.
(ev.Abbildung, so noch vorhanden)
Auch in der Musik gab es die Pioniere des Intrumentenbaus. Einer
unter ihnen, der Russe Leonid S.THEREMIN, ist 1920 mit einem
aussergewöhnlichen Instrument hervorgetreten, das er Ärophon
nannte. Von RCA in New York gebaut, bestitzt dieses elektronische
Musikinstrument keinerlei Tastatur, sondern zwei Spielantennen,
denen sich die Hände des Spielers in verschiedener Weise nähern,
um Tonhöhe und Lautstärke des Klanges stufenlos zu variieren
(1.13).Von diesem interessanten Versuch und von anderen
Instrumenten, die in der Folge gebaut worden sind, ist nur
weniges geblieben. šberlebt haben die handfeste und unbefriedi-
gende HAMMOND-Orgel und die siegreiche elektrische Guitarre,
beides Mischlinge mechanisch-elektrischer Klangerzeugung von völ-
lig konventionellem Zuschnitt, während die weitaus originelleren
Ondes MARTENOT nur durch die Werke von Arthur HONEGGER und
Olivier MESSIÄN in bescheidenes Schattenplätzchen im sinfoni-
schen Repertoire der Kunstmusik gefunden haben.
Im übrigen hat diese Kunstmusik (wenigstens in ihrer offiziellen
Form) keine Notiz genommen von den künstlerischen Möglichkeiten
der Elektroakustik. Obwohl ein Mann vom Range eines Leopold
STOCKOWSKY (Music for all us, New York 1943) schon vor
fünfundzwanzig Jahren geklagt hat, dass die tiefen Klänge des
Sinfonieorchesters zu schwach sind gegenüber den mittleren und
hohen Registern und deshalb kein hinreichendes Gegengewicht zu
diesen bilden, ist das Sinfonieorchester auch heute noch das
nämliche wie es WAGNER vor hundert Jahren gekannt hat. (Mit einer
stärkeren Besetzung ist diesem Mangel nur schwer abzuhelfen, denn
eine Verdoppelung der Streicherbässe bewirkt nur die relativ
geringe Schallstärkezunahme von 3 dB (MEYER-EPPLER). Erst bei
einer Verzehnfachung wären wirksame Verschiebungen des
Gleichgewichts zu erzielen.) Mit elektroakustischen Mittel wäre
dem Übel leicht abzuhelfen. Aber davon will man nichts hören;
das käme einer Unterwanderung der Tradition durch die Technik
gleich. (Zuhause dagegen dreht man am Bass- und Trebelknopf der
Stereo-Anlage und zerstört gewissenlos, was zu zerstören dem
Tonmeister noch nicht gelungen ist.) Wo sich also die
traditionsreiche Kunstmusik gegen das Eindringen der
elektroakustischen Technik noch heute wehren zu müssen glaubt und
lieber Mundorgel, Reissnagelklavier und Jodel in ihren Reihen
duldet (Jubiläumskonzert der Tonhalle Zürich! als elektrische
Verstärkung, da scheint dieselbe Kunstmusik noch heute keine
Ahnung zu haben, dass sie seit Jahrzehnten von eben derselben
Elektroakustik wie von Termiten unterwandert und in ihren
Grundfesten völlig erschüttert ist. Um dies zu verstehen, greifen
wir auf unsere Darstellung der musikalischen Aufführung als
Regelkreis zurück.
HIER und JETZT ist die Bedingung, unter der eine Aufführung zu-
stande kommt (so haben wir gesagt). Aber die Fernübertragung
scheint diese Regel zu durchbrechen: ohne mit dabei zu sein
(nicht HIER) kann irgend ein Hörer irgendwann (nicht JETZT) eine
Aufführung mit anhören. Im Französischen spricht man von
(transmission)"en direct" und "en diff‚r‚". Gehören nun der
Voyeur des en direct und der Konsument aus der Konserve des en
diff‚r‚ mit zur Hörergemeinde? Nein. Denn das šbertragungssystem,
das sich zwischen den Interpreten und sie beide geschoben hat,
ist einwegig. Es trägt dem Hörer am Lautsprecher zwar das Spiel
des Interpreten zu, aber seine Antwort trägt es nicht wieder
zurück in den Konzertsaal.Er ist nicht mit dabei gewesen.Also
hört er am Lautsprecher keine Aufführung, sondern die Reportage
einer solchen. (1.14)
Wer mir bis hierher gefolgt ist, dem wird es nicht schwer fallen,
auch die Konsqünzen zu ziehen. Funk, Fernsehen, Schallplatte und
Magnetspeicherung haben eine totale Zerstörung des Regelkreises
zur Folge, den wir als für die musikalische Aufführung charakte-
ristisch erkannt haben. Das Bild, das der von Funk, Fernsehen,
Platte und Tonband neu geschaffene Regelkreis zeigt, ist völlig
anders geartet und für unsere Zeit allerdings eminent typisch.
Die Aufführung wird zum "Object trouv‚", für dessen Konsum (nach
den Worten von Marcel Duchamp) eine Reproduktion ebenso gute
Dienste leistet wie das Original. Grossverteiler-Organisationen
bieten dem Konsumenten eine reiche Auswahl von Fertigprodukten an
(Schallplatten-, Bandaufnahmen, Sendeprogrammen), die der Hörer
am Lautsprecher akzeptiert oder verwirft. Er sagt JA oder NEIN
zum Angebot, indem er zuhört, vor seinem Empfänger einschlummert
oder ihn ausdreht, und indem er auf dem Markt als Käufer auftritt
oder wegbleibt. Als statistisch gemittelte Antwort kommt dieses
JA oder NEIN von Millionen zum Grossverteiler zurück und bestimmt
dessen Produktion. Markforschung und Werbung tun das šbrige,
indem sie den Prozess zum unerbittlichen Kampf verschärfen. Das
ist unser heutiges Musikleben. Das ist der Regelkreis, der
typisch ist für die Netzwerke unserer Konsumgesellschaft. Es ist
der modernen Gesellschaft wahrlich gelungen, auch die Regelkreise
des Musiklebens radikal nach ihrem Muster umzufunktionieren.
Arnold Schönberg (1919):"So bringt also der Wetteifer, die
Notwendigkeit zu siegen, die Gemeinheit in den Kunstbetrieb."
Es stellt sich nun die Frage, ob und unter welchen Umständen die
völlig veränderte Situation (die sich übrigens auch im Film
genau wiederfindet) musikalisch auf künstlerische Weise fruchtbar
gemacht werden kann?
_________________
(1.5) Vgl. KÄGI(1987): The Design of musical Discovery, second
section p.
(1.7) Versuch v. KÄGI u.GALLUSSER an der Migro-Klubschule in
Zürich 1953/54.
(1.8) Vergl. John CAGE "22708Types", an interview with Henning
Lohner, Frankfurt a.M., dec.18, 1987, Interface Vol.18 pp.243-
256): "My next lecture is on anarchy. And really I think it's
the only solution to the world's problems. I don't mean to
say a bombthrowing anarchy, but a stable society in which
everybody has what he nèds to live...frè from oppression."
(1.10)Unter meinen Hörern hat mich das Ehepaar Germaine und Hugo
Fries auf Charles Cros und sein Primat aufmerksam gemacht
und mir ihre eigene Ausgabe der Gesammelten Werke von Cros
grosszugig geschenkt.
(1.11)E.BELLAMY, Looking backwards, (1887, deutsche Ausgabe
Leipzig 1890) habe ich erst kurze Zeit danach gelesen, ob-
wohl es sich unter meinen Büchern befand.
(1.9) Es ist in einen Pianoflügel von 2 Oktaven Umfang eingebaut.
Eiserne Stäbe von verschiedener Länge in einem elektr.Mag-
netfeld verstärken die Schwingungen, die über eine Telefon-
leitung von New York einem Auditorium in Philadelphia zuge-
leitet wurden. Schon sehr bald träumte man von Konzerten,
die in die Haushaltungen gebracht würden. (E.Bellamy,
Looking backwards, vgl.(1.11).Schon anfangs der 90er Jahre
distribuiert in den VS die Long-Distance-Company telefo-
nisch Konzerte.An der Weltausstellung 1889 in Paris kann
das neugierige Publikum im Telefon-Pavilion beim Eiffel-
turm die "Mirlitonspieler" fernhören.
lec682.niw
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Dritte Vorlesung vom 27.Mai 1968
***********Zusammenfassung
...Es stellt sich also die Frage, ob auch dieser neü Typ von
Regelkreis künstlerisch fruchtbar gemacht werden kann?
***********
Wir wollen uns, bevor wir nach einer Antwort auf diese Frage
suchen, erinnern, dass wir Musik als übermittelte (Sprache,
Nachricht?) verstanden haben. Demnach formulieren wir unsere
Frage jetzt so: Ist es möglich, innerhalb des neuen, durch die
Intervention der Elektroakustik und der Nachrichtentechnik ge-
schaffenen Regelkreises auf eine Weise zu musizieren, dass der
Sinn, den der Komponist in seine Musik gelegt hat, vom Zuhörer
nach der Dekodierung der übermittelten Signale auf eine einiger-
massen entsprechende Art wieder in sie hineingelegt werden kann?
Es lässt sich zunächst sagen, dass dies, wenn überhaupt, mit
Sicherheit nur dann der Fall sein kann, wenn einiges Gemeinsame
den Komponisten bezw. seinen Interpreten und den Zuhörer verbin-
det; nämlich ein Zeichenvorrat, Regeln und Hinweise.
Ich fasse zunächst den Komponisten bezw. seinen Interpreten,
mithin also die Qülle ins Auge. Es ist denkbar, ja sogar
wahrscheinlich, dass ein geübter Musiker fähig ist, sich eine
mögliche Publikumsreaktion vorzustellen, selbst wenn ihn vor dem
Mikrophon im Aufnahmestudio keinerlei rückgeführte Nachricht
seitens des Publikums erreicht und er also der Regelung durch
eine derartige Reaktion im Augenblick völlig entbehrt. Es ist
also durchaus möglich, dass dieser Musiker sich kraft seiner in
zahllosen Aufführungen gesammelten Erfahrungen so verhält, als ob
er eine Antwort erhielte. Ein solcher zwar nicht physikalisch,
aber in der Imagination des Musiker existenter Regelkreis stezt
allerdings voraus, dass der Musiker über eine in der Aufführungs-
praxis erworbene Erfahrung verfügt. Nehmen wir nun an, es sei
dies der Fall. (****** und wenn es nicht der Fall sein wird? noch
ausführen; dann verhält er sich wie das Dienstmädchen aus der
Normandie, das in Paris zum erstenmal telefoniert)****.) Vor dem
Mikrophon weiss der Musiker aber dennoch nicht, welcher Art in
Wirklichkeit sein Publikum am Lautsprecher sein wird. Ist es ein
Publikum von der Art, wie er es aus Kammer-musikaufführungen, aus
sinfonischen oder aus Opernauffuhrungen kennt oder ist es ein
Operetten-, Music-Hall- oder IGNM-Publikum? Während im Konzert-
leben ein Selektion des Publikums durch den Anlass mit Sicherheit
garantiert ist, verfügt der Musiker vor dem Mikrophon über weit
weniger Angaltspunkte, die ihm Voraussagen über die Zusammen-
setztung seiner Hörerschaft erlaubten. Es ist ihm deshalb umso
schwerer, wenn nicht überhaupt unmöglich abzuschätzen, welches
der gemeinsame Zeichenvorrat, welches die gemeinsamen Regeln und
Hinwweise sein werden, die ihn selber und seine Zuhörer miteinan-
der verbinden, um Musik informativ werden lassen zu k™nnen. Und
auch wo Ansätze zu einer gewissen voraussehbaren Auswahl der
Hörerschaft möglich wären wie es zum Beispiel durch die grobe
Einteilung in E- und U-Musik und innerhalb der E-Musik in
Kammermusik, sinfonische, dramatische, alte und neü, experimen-
telle Musik geschieht, da zeigt es sich gleichwohl, dass solche
Unterscheidungen wieder zunichte gemacht werden durch den Impera-
tiv der "Rendite", dem jedes System der Konsumguter-Grossver-
teilung unterliegt. Jedes Programm und jede Schallplatte bedeuten
investiertes Geld, das allein durch grosse Auflagen bezw. einen
grossen Hörerkreis "amortisiert" werden kann. Und die nötigen
grossen Auflagen bezw. aufwendigen Sendungen können nur durch die
Hoffnung auf die Teilnahme eines möglichst breiten Publikums und
einer möglichst grossen Zustimmung von dieser Seite
"verantwortet" werden. Man mag einwenden, die wertvolleren, dem
Zuspruch einer kleinen Kennerschaft vorbehaltenen Darbietungen,
die sich nicht selber zu tragen vermögen, seien heute in der
Regel durch Subventionen gesichert. Sicherlich ist damit die
Existenz der "ernsten" Musik gerettet und es bestünde für sie
prinzipiell die Möglichkeit, tatsächlich zu jenen Hörern zu
gelangen, für welche derartige Musik informativ werden könnte.
(Dies allerdings um den Preis der Abhängigkeit von Subventionen,
was in der Regel die Gefahr des Dirigismus und Nepotismus zum
Gefolge hat. Man denke an die Ausschliesslichkeit mit der
"serielle" oder "antiserielle" Ressortleiter ihre Rundfunkpro-
gramme nach ihrem musikalischen Glaubensbekenntnis gestalten.
Ein schönes Beispiel der Gleichschaltung durch Kunstdirigismus
gab auch die EXPO64 in Lausanne, wo die ausgestellten Plastiken
ausnahmslos von denselben Abmessungen und allemal vergoldet sein
mussten.) In der Praxis gelangen Schallplatten von exklusiver E-
Musik jedoch meistens in die Hände von Snobs, deren Geld
allerdings ebenso rund ist wie jenes der wirklichen Kenner und
Liebhaber (ein Gleiches gilt ja leider nicht für das Musikver-
ständnis), oder sie verschwinden wie die subventionierten
Schallplattenreihen der nationalen Tonkünstlervereine in das
Dunkel der Archive, während die Rundfunksender ihrerseits dieser
Art von "exclusiver" Musik ihre flaüsten Sendezeiten anvertraün
(müssen) und entweder Hausfraün vormittags mit Streichquartetten
zum Kochen ermuntern oder Kraftfahrer in später Nacht vor dem
Einschlafen bewahren.
Doch wenden wir uns nun dem Zuhörer, also dem Empfänger zu. Auch
er ist durchaus in der Lage, sich vor dem Lautsprecher sitzend
einen Konzertsaal vorzustellen. Auch er antwortet, reagiert,
allerdings ohne dass seine Antwort weder vom Interpreten gehört
würde noch dessen Vortrag zu beeinflussen vermöchte. Aber es ist
immerhin denkbar, dass dieser Hörer am Lautsprecher sich aus den
in Konzertaufführungen gesammelten Erfahrungen ein Bild der Auf-
führung zu machen vermag und dadurch unter Umständen zu einer
Sinngebung der empfangenen Signale gelangt, die jenem Sinn ent-
spricht, welchen der Komponist bezw. sein Interpret den gesende-
ten Signalen gegeben hat. Kraft eines zwar physikalisch nicht
bestehenden, aber imaginierten Privatregelkreises, der im engsten
Zusammenhang steht mit seinem in zahllosen Aufführungen geäufne-
ten Erfahrungsschatz kann es dem Zuhörer also unter Umstanden
gelingen, die empfangenen Signale "informativ werden zu lassen",
dh. "die Sprache des Komponisten zu verstehen". Was aber, wenn
der Zuhörer dereinst über eine Konzertsaalerfahrung nicht mehr
verfügt, wenn er wohl noch ein Saxophon oder eine elektrische
Guitarre, aber keine Obö und kein Fagott mehr an ihrem Klang
erkennt?
Ich muss (leider) annehmen, dass wir im grossen gesehen so weit
sind. Wie anders wäre es denn möglich, dass Millionen von
Menschen beispielsweise Streichermusik aus Film, Unterhaltung und
Berieselung widerstandlos hinnehmen, auch wenn diese Musik von
wirklichen Streichern in keiner Weise jemals so ausgeführt werden
könnte, sondern ihren Klang elektroakustischen Tricks wie Play-
back, Verhallung und vielerlei anderem verdankt? Wäre die Erinne-
rung an die wirklichen Möglichkeiten eines Streicherensembles
lebendig und nicht schon längst vom elektroakustisch frisierten
Klang in den Hintergrund gedrängt, so wäre die Gleichhültigkeit,
mit welcher auch von Musikfreunden die Confiserieware der Musik-
industrie konsumiert wird, nicht denkbar. Problem- und wider-
standslos werden die in Konsumware umfunktionierten Kulturgüter
ins tägliche Leben integriert.
(***1991:Mozart-Divertimenti auf CD u.L.v.Ton Koopman. Melodie-
führende erste Geigen verhallt nach Art der U-Musik, der Rest sec
und "präzise"!) Schwindel***).
Zusammenfassend halten wir fest, dass sowohl der Interpret vor
dem Mikrophon als auch der Hörer vor dem Lautsprecher ihren
privaten, allerdings nur imaginierten Regelkreis aufbaün können.
Das gemeinsame Funktionieren dieser Privatregelkreise ist indes-
sen nur dann gewährleistet, wenn beide Seiten aus einem Erfah-
rungsschatz schöpfen, den sie sich durch Teilnahme an wirklichen
Aufführungen erworben haben. Unsere Gegenwart erliegt also einer
groben Täuschung, wenn sie glaubt, dass durch die Mittel der
elektroakustischen Massenmedien das Erbe der klassischen Musik
weit hinausgetragen werden könne in das "Volk". Jawohl, die
Signale können verbreitet werden bis tief hinein in den afrika-
nischen Urwald, aber nicht der Sinn, der ihnen einst zugeordnet
war. Denn er ist nicht von selbstsprechend in den Signalen
enthalten.
Der Komponist John CAGE hat einmal die Frage aufgeworfen, ob denn
der heutige, lautsprechergewohnte Zuhörer sich überhaupt noch
auszuknobeln bemühe, was da von einem Komponisten in Tönen gesagt
werde? (3.0) Mit andern Worten: ob der heutige Musikhörer
überhaupt Musik als Kommunikation aufzufassen bereit ist?ù Ich
habe den Eindruck, dass der heutigem Hörer im Durchschnitt
genommen dazu neigt, Musik nicht als Kommunikation, sondern als
Klangtapete aufzufassen, sozusagen als eine Kollektion von unver-
bindlichen Grundmustern, in welche er die verschiedensten mögli-
chen Sinne hineinprojzieren kann. Musik wäre also unserem Bild
vergleichbar, dem wir einmal den Sinn: "Labyrinth", und ein
andermal den Sinn: "das Zeichen E von Rauschen umgeben", anver-
traut haben. Denken Sie an die Musik von J.S Bachs: eine
österliche oder weihnachtliche Tapeten-Kollektion, die der Hörer
alle Jahre wieder vom Rundfunk vorgesetzt bekommt, die sich aber
auch vortrefflich verwenden lässt für jenen jazzoiden Pseudo-
Intellektualismus, wie ihn Loussier in seinen Play-Bach-Coctails
auf Schallplatte serviert. Für die Traumhelden der Filmleinwand
etwas Tschaikowsky, dessen "Sound" tausende von Filmkomponisten
in klingende Münze und Millionen von Zuhörern in ihr eigenes
Herzeleid konvertiert haben usw.
Es darf nun aber billigerweise nicht vergessen werden, dass das
Anhören von ernster Musik im Sinne einer kooperativen Kommunika-
tion seit eh und je nur Angelegenheit kleiner Kreise gewesen ist.
Zudem muss man sich ernstlich fragen, ob denn die Auffassung von
Musik als kooperativer Kommunikation nicht bloss eine Erfindung
des philosophischen 19. Jahrhunderts und damit eine hereditäre
Voreingenommenheit von uns Erben dieser Vergangenheit ist? Oder
vielleicht müsste man gar noch weiter zurückgreifen in die
Historie; denn man weiss ja zum Beispiel, dass die humanistische
Renaissance und in ihrer Folge ganz besonders das deutsche
17.Jahrhundert eifrig bemüht waren, die Musik als Sprache aufzu-
fassen und ihr das Kleid der Rhetorik überzuziehen. Da wurden
Traktate geschrieben, welche die sogenannte Figurenlehre der
Rhetorik (ein Abkömmlig der aristotelischen Topik) minutiös auf
die Musik übertrugen und genau definierten, was dies und jenes in
der Musik zu bedeuten habe. Es ist möglich, dass wir heutigen
trotz Rousseau noch sehr in derartigen Auffassungen befangen
geblieben sind. Ich glaube allerdings, dass die Fähigkeit eines
kooperativen Austausches von Information die Voraussetzung dar-
stellt für jede Bildung höherer sozialer Einheiten; dass also
jede menschliche Gesellschaft musikalische Regelkreise aufbaut,
durch welche Musik als ausgetauschte Information ins Spiel kommt.
Das geistige Niveau dieses Austausches allerdings, die Feinheit
der verwendeten Sprache und die Tiefe des ausgetauschten Sinnes
wird stets das getreü Abbild der Feinstruktur und der geistigen
Tiefe der jeweiligen Gesellschaft sein. Ist diese platt und
albern, so ist es auch ihre Musik.
Wir dürfen also annehmen, dass auch unsere eigene gegenwärtige
Gesellschaft mancherlei Aktivitäten zeitigt, die dahin zielen,
Musik als kooperative Kommunikation ins Spiel zu bringen. Einer
dieser Versuche ist in den vielfältig schillernden musikalischen
Bestrebungen zu erblicken, die seit dem Ende des zweiten Welt-
kriegs abseits der Heerstrasse sich in allen Kulturländern der
Erde manifestieren und die man unter dem Begriff der experimen-
tellen Musik zusammengefasst hat.
Vierte Vorlesung vom 10.Juni 1968
Zusammenfassung:
Ich habe ausgeführt, dass die herkömmliche Musik an die musika-
lische Aufführung gebunden ist und damit auch an einen spezifi-
schen Typ von Regelkreis. Durch die Mittel der Speicherung und
Fernübertragung ist dieser Regelkreis in einen anderen Regelkreis
umgewandelt worden. Da heute weitaus am meisten Musik den Hörer
über den Lautsprecher erreicht (sei es direkt oder mittels
Speicherung), so muss festgehalten werden, dass es der herkömm-
lichen Musik nicht gelungen ist, ihren spezifischen Charakter und
ihre Tradition hinüberzuretten in unsere heutige, von der Konsum-
gesellschaft strukturierte Welt. Die herkömmliche Musik ist
vielmehr dieser neün, sie manipulierenden und konsumierenden
Gesellschaft angepasst und damit in ihrem Wesen völlig verändert
worden.
Es stellen sich daher folgende Fragen:
1) für die traditionelle, herkömmliche Musik: wird sie Museums-
stück sein oder hat sie eine reale šberlebenschance als das, was
sie einst gewesen ist?
2) für eine zukünftige Musik: ist es möglich, dass auch der neü,
von der Konsumgesellschaft strukturierte Regelkreis künstlerisch
fruchtbar gemacht werden kann?
Ich will zunächst die erste Frage umgehen und an die Antwort
anknüpfen, die ich bereits an früherer Stelle auf die zweite
Frage zu geben versucht habe.
In alle musikalischen Strömungen, die seit dem zweiten Weltkrieg
unter den Sammelbegriff der experimentellen Musik gestellt worden
sind, sehe ich den Versuch, den Regelkreis der Konsumgesellschaft
entweder fur künstlerische Ziele fruchtbar werden zu lassen oder
ihn gewaltsam zu durchbrechen. Es gilt dies für die konkrete und
die elektronische Musik ebenso gut wie für die aleatorische
Instrumentalmusik und das musikalische Happening. Der jüngst
unter tragischen Umständen verstorbene Robert Kennedy äusserte
sich einmal dahin, dass die Unmöglichkeit des Dialogs verant-
wortlich gemacht werden müsse für das von Pollok eingeführte
Happening, aber auch für die sich mehrenden plötzlich auftreten-
den Gewaltakte; denn beide seien sie als Entladung eines stets
verhinderten Dialogs zu verstehen.
Welche Gedanken lebten in der experimentellen Musik und was wurde
unternommen, um aus der herrschenden Stagnation auszubrechen?
In die Augen springend sind die folgenden Massnahmen: Streichung
des traditionellen Musikinstruments von der Liste der Klangqül-
len durch die Musiqü concrŠte; Einbezug der Speichermöglichkeit
durch das Tonband in den künstlerischen Prozess durch die
amerikanische tape music; und schliesslich Verzicht auf das
Mikrophon durch die elektronische Musik im engeren Sinne, welche
als Klangerzeuger ausschliesslich synthetische, aus elektroni-
schen Generatoren und Umformern gewonnene Klänge und Geräusche
verwendet, diese auf Tonband speichert und schliesslich durch
Bandschnitt und Montage (wie dies im Film üblich ist) zu einem
Ganzen zusammensetzt. (Schema)
**********
Bevor wir uns unterhalten werden, wie die elektronische Musik
ohne herkömmliche Musikinstrumente nun eigentlich "technisch"
gemacht wird, wollen wir uns zwei andere Fragen vorlegen, deren
Beantwortung wesentlich beitragen kann zur Erhellung unseres
Problemkreises.Wer unternimmt was, und unter welchen Umständen
geschieht es?
Die Transformierung der musikalischen Kunst in den Regelkreis der
Konsumgesellschaft hat zur Folge, dass die Musik (stärker als je
zuvor) in das Spannungsfeld von Angebot und Nachfrage geraten und
damit der Frage der Rendite im bürgerlichen Sinn unterworfen
worden ist.(Ich sage bewusst "im bürgerlichen Sinn", denn es gibt
ja auch andere Begriffe von Rendite, zB."Gottes Lohn", oder die
"Gnade" der bewusst Kulturpolitik betreibenden Mazarin und Ludwig
XIV.und vieles mehr.)
In den heutigen Grosskonsumprozess konnte die Musik nur dann
eingegliedert werden, wenn sie als konsumierbares und konsumier-
tes Tauschobjekt in Frage kommt. Und das heisst nichts anderes
als Kotierung, wie man sich in der Börsensprache ausdrückt. Musik
***file: \werner\insert wie man sich in der Börsensprache aus-
drückt. Musik als Handelsware muss kotiert sein. Dasselbe Phäno-
men findet sich übrigens auch in der darstellenden Kunst, wo
bekanntlich sehr genau zwischen kotierten und (noch)nicht kotier-
ten Kunstwerken unterschieden wird. Gleich Aktien, Obligationen
und Grundstücken stellen auch die kotierten Gemälde und Skulptu-
ren Vermögensanlagen dar; sie werden an der Börse gehandelt und
von den Banken und Kreditinstituten als Werthinterlagen akzep-
tiert wie das Portefeuille. Wenn nun von Künstlern eine neü Art
von Kunstprodukten geschaffen wird, gleichgültig welcher Art auch
immer, so ist es damit nicht getan. Das Produkte muss nicht nur
geschaffen, sondern es muss vorallem auch lanciert werden. Ziel
der Lancierung ist es, mit allen Mittel der Marktforschung und
Werbung das neü Produkt in einen kotierten Wert umzuwandeln, auf
dass es Eingang finde in den Konsumprozess. Ist dies erreicht, so
steht der Serienproduktion nichts mehr im Wege, und durch
Vervielfältigung mittels Schallplatte und Reproduktion usw. und
begleitet von der Propaganda kann das Produkt nun zu einem
vernünftigen dh. für die anvisierten Kundenkreise erschwinglichen
Preis abgegeben werden, während der Verkauf des Prototypen die
aufgewendeten Entwicklungskosten niemals zu amortisieren vermö-
chte. Ausserhalb dieses Kreislaufs ist Kunst (das heisst eben:
nicht kotierte Kunst) für unsere Gesellschaft wertlos und uninte-
ressant und lebt vom Almosen des miserablen "Kulturprozent".
Was für sein Werk gilt, gilt auch für den Schöpfer. Der Künstler
ist nur insofern nützliches Mitglied der Gesellschaft, als er
effizientes Glied im Konsumprozess ist. Die BEATLES wurden trotz
ihrer langen Haare geadelt sobald ihre Schallplatten als Devi-
senbringer zum Faktor für des britische Finanzamt geworden waren.
Auch als Prestigegewinn lässt sich der kotierte Künstler einspan-
nen.PICASSO war zu Zeiten Prunkstück und enfant terrible der
französischen KP, obwohl er ein Schloss bewohnte, die italien-
ischen Faschisten rühmten sich der d'ANNUNZIO und Ezra POUND, die
DDR der EISLER, BRECHT und Heinrich MANN usw., und die heutige
Schweiz beginnt sich ihres grossen LE CORBUSIER ohne Kostenauf-
wand wieder zu erinnern.(Der Aufbau des Centre L.C. wird von
Heidy WEBER aus privaten Mitteln finanziert). Der Künstler als
Seher dagegen, als Seismograph der Gesellschaft wird wohl in
Festreden gefeiert, in Wirklichkeit aber von "vernünftigen"
Leuten keinen Deut ernst genommen. Und dennoch: wie oft hat doch
der "opponierende" Künstler die Wirkung des Sehers, des Seismo-
graphen, des klärenden Spiegels ausgeübt, im Kampf gegen Gewalt
und Dummheit, im KZ, in der R‚sistance und oft genug auch ganz im
Stillen, abseits des offiziellen Kulturlebens, vielfach überhaupt
nicht, spät oder posthum anerkannt und dann wenn immer möglich
schleunigst lanciert, kotiert und via Media eingegliedert in den
Konsumbetrieb. Entdeckung oder auch Wiederentdeckung nennt man
das (in der Musik unserer Tage MAHLER, VARESE, WEBERN, in der
Literatur KAFKA, Rob.WALSER, GOMBROWICZ, ARTAUD, in der Malerei
Alberto GIACOMETTI, SOUTTER, um nur einige wenige Beispiele zu
nennen).
Anm.1998: BRETON und NONO waren allerdings fur die KP schwerer zu
verdaün...
INSERT OPEN
***************insert Diary 030865
03.08.65
Konservierung auf Schallplatte.
(insert pöme de ch.Cros)
Comme les traits dans les cam‚es
J'ai voulu qü les voix aim‚es
Soient un bien, qu'on garde … jamais
Et puissent r‚p‚ter le rˆve
Musical de l'heure trop brŠve;
Le temps veut fuir, je le soumets.
Es scheint, dass man sich zu anfang der akustischen Konservie-
rungstechnik (Fonograf, Gramofon, Magnetofon) nicht über das
Wesen und die Konseqünzen der Konservierung im Klaren war.
Irgendwie war es nun möglich, die Flüchtigkeit des Zeitgebundenen
zu überwinden und beliebig wiederholbar zu machen. šbersehen
wurde (und wird noch immer)
1) dass es sich beim Wiederholbaren um eine Aufzeichnung, ein
Bild handelt, während das originale Ereignis nach wie vor
flüchtig bleibt;
2) dass die Reproduktion auch bei zunehmender technischer Perfek-
tionierung nur das originale Ereignis täuschend ähnlich vorstel-
len, niemals aber es selber werden kann.
Ich glaube, dass die Jazzmusiker resp. ihre Produzenten als erste
die Schallplatte richtig gebraucht haben. Als Mittel, durch
beliebig wiederholbare Reproduktion an eine grössere Hörerschaft
heranzukommen (wie der Holzschnitt der Dürer-Zeit). Diese Musiker
haben auch nicht verschmäht, selbst die Länge und damit Form
ihrer Kompositionen auf die Möglichkeiten der damaligen 3-
minuten-Platte abzustimmen.
Während der klassische Musiker noch völlig befangen war im
weihevollen (atechnischen) Musikbetrieb des 19 Jdts, haben die
Jazzmusiker die neün Möglichkeiten schnell erkannt, bejaht und
richtig auszuwerten verstanden. Im lebendigen Umgang mit der
Aufnahmetechnik ihrer Zeit haben sie Ansätze zu neün Instrumen-
ten, Spielweisen und eine reiche Zahl von neün Klangkombinatio-
nen und Enselbles verwirklicht. (Die besten Aufnahmen wurden von
einem Amateur (Zahnarzt?)in einer Art Schuppen gemacht.)**** Im
"klassischen Bereich" wurde von den Komponisten nur zögernd
begriffen und zugegeben, dass die Schallplatte mit dem Kunstbuch
zu vergleichen wäre, für welches ein möglichst weiter Interessen-
tenkreis gewonnen und alle Mittel der Werbung eingesetzt werden
können, rücksichtslos wie man für Sonnenbrillen oder Autos wirbt.
Und damit tat man das Richtige: man erkannte die Schallplatte
endlich als Mittel der Massenreproduktion.
Mit der HIFI-Welle und der Stereophonie tauchte hingegen der alte
Gedanke wieder auf, mittels der Wunder der Technik die Reproduk-
tion mit dem Original verschmelzen zu lassen, mit dem wunderbaren
Vorteil allerdings der Manipulierbarkeit von Ort und Zeit. Die
Reklame liess sich zu platter Irreführung des Käufers herab,
verstrickte ihn in das Labyrinth seiner Wunschträume und nahm ihm
seinen Geldbeutel ab. In Wirklichkeit wurde nichts als eine
Schuld abgetragen: HIFI brachte eine Verbreiterung des Freqünz-
bands der 78er Platte, dessen himmeltraurige Schmalheit jeden
Versuch um Wirklichkeit vorzutäuschen ohnehin lächerlich machte;
und die Stereophonie stellte eine Form des Hörens wieder her, um
die der Hörer durch die Segnungen der armselige Monophonie
betrogen worden war. Trotz seiner unleugbaren Verdienste ist der
Rundfunk mitschuldig an dieser bewussten Irreführung, welche auf
das Musikleben von ungleich grösserem Einfluss gewesen ist als
alle Neürungen der Komponisten. Ich betone: nicht die techni-
schen Mittel, nicht die Mechanisierung, nicht die Enthumanisie-
rung oder wie man das allemal genannt hat, sondern die bewusste
Täuschung (der falsche Gebrauch) durch technische Mittel haben
zwar unsern Musikbetrieb ungeheür aufgebläht, dem Musikleben
dagegen enorm geschadet. Im Schatten des hypertrophen Baums ist
es inhaltlich an Lügen verkümmert und vergreist.
Hier hat die elektronische Musik Klarheit gebracht. Hier waren es
ihre Komponisten, welche zur Besinnung aufriefen; und hätte die
elektronische Musik keine andere Bedeutung als eben nur diese,
dann wäre sie schon völlig legitimiert.
*********************************
Insert 1.72 Schallplatte:
**********************************
Während der klassische Musiker zunächst völlig befangen blieb im
Kulturbetrieb des 19 Jdts, haben die Jazzmusiker die Möglichkei-
ten der Schallplatte schnell erkannt, bejaht und richtig auszu-
werten verstanden. Im lebendigen Umgang mit der Aufnahmetechnik
ihrer Zeit haben sie Ansätze zu neün Instrumenten, Spielweisen
und eine reiche Zahl von neün Klangkombinationen und Enselbles
verwirklicht. (Die besten Aufnahmen wurden allerdings von einem
Amateur gemacht.)
________________________________
****1917 Platte Victor Nr.18255, Matrizennummer B 19 331-1 und
B 19 332-3) durch "Original Dixieland Jass Band" (ODJB Dominick
La Rocca cornet, Eddie Edwards trb, Larry Shields cl, Hanry Ragas p,
Tony Sbarbaro dr). Die Negermusiker hatten erst 1921 zugang zur
Platte). Mechanische Aufnahme, gr.Tr. oder Pken konnten nicht
verwendet werden******Bereist um 1900 in den Sudstaaten Klavier-
Ragtime. Scott Joplin (Sinfonie, 2 Opern) fertigte zu Hunderten
Aufnahmen seine improv.Rags auf Walzen mechanischer Klaviere
(Mapl Leaf Rag).
Die Elektroindustrie, die schon früh in der Schallplatte das
Medium der Massenproduktion gesehen und beginn der 20er Jahre die
elektrische Klangaufzeichnung lanciert hatte, setzte allerdings
auf die traditionelle Karte: Opernstars und Beethovenjahr (1927).
Zwar haben auch lebende Komponisten Aufnahmen ihrer Werke nicht
verschmäht, aber nach ihrer Auffassung mussten nicht sie für die
Schallplatte schreiben, sondern die neün Erfindungen hatten sich
zu höchster Wiedergabetreü zu vervollkommnen (Henri Busser).
Stimmen die zur Besinnung auf eine "rundfunkgerechte" Musik auf-
forderten, blieben ebenso wirkungslos wie die Experimente der
Milhaud, Toch, Hindemith und der Bauhauskünstler. Ja das Gros der
Komponisten begriff nicht einmal, dass die Schallplatte (wie die
Graphik und das Kunstbuch) ihre Werke einem weltweiten Interes-
sentenkreis bekannt zu machen imstande und daher alle Mittel der
Werbung einzusetzen seien, rücksichtslos wie man für Sonnenbril-
len oder Autos wirbt.
**************** Der Kulturbegriff des 19sc, von dem zu lösen die
klass.Komponisten so enorm viel Mühe hatten, stellt Kunst der
Technik gegenüber.
****************
len. Der Mensch des 19.Jahrhunderts war Zeuge der gigantischen
Indrustialisierung seiner Umwelt; als Antithese stellt er drohen-
der Vermassung und Anonymität des Menschen den Künstler entgegen,
Den Künstler als Helden, als Garanten des Einmaligen, Unwieder-
holbaren: Symbol der Menschenwürde. Denn wir dürfen nicht verges-
sen: unter den damaligen Umständen musste die serielle Produktion
dem Menschen nicht nur Fortschritt, sondern auch Bedrohung
bedeuten; Steigerung der weltweiten Prosperitat und Dehumanisier-
ung.
*********
Dem steht eine völlig neü Realitat des 20sc gegenüber (was
Brecht, Weill, Antheil, Varese etc wollten). Der Mensch der
Gegenwart steht unter der Faszination von der Technik.
******* INSERT lect681.old
Und das leitet uns zur zweiten Frage, die wir oben gestellt
hatten. Sie betrifft die Technik und ihren Einfluss auf uns
heutige Menschen.
*******
Wir sind alle mehr oder weniger überzeugt, die von der Technik
erbrachten grossartigen Leistungen seien ein Beweis dafür, dass
die Anwendung der Mathematik auf die "Wirklichkeit" via moderne
Naturwissenschaft funktioniere. Unwiderlegbare Beweise dafür lie-
fern in spektakulärer Weise die Bahn- und Schubberechnungen der
Weltraumfahrt, aber auch die bereits vor Jahrtausenden angestell-
ten astronomischen Vorausberechnungen von ekliptischen Erschein-
ungen. Die Meinung, dass alles, was mathematisch berechnet sei,
notwendigerweise in der "Wirklichkeit" brauchbare Resultate
erbringe, ist so allgemein und tief verwurzelt im heutigen
abendländischen Menschen (und beginnt auch den Rest der Welt-
bevölkerung bereits in ihren Sog zu ziehen), dass sie auch auf
die Kunst und ganz besonders auf die Musik übergriff und dort
eine umso magischere Kraft entfaltete, als der Boden durch
platonische Vorstellungen längst vorbereitet war. Im Laufe der
50er Jahre begannen Erklärungssucht und Strukturwut in beinah
unbegreiflicher Vehemenz (und Intoleranz) um sich zu greifen. Im
elektronischen Studio scheint es in der Tat bei oberflächlicher
Betrachtung, als ob jedes elektrisch erzeugte Signal, (dh. jeder
Träger einer musikalischen Nachricht) exaktestens erfasst werden
könne mittels der Parameter Freqünz, Amplitude, Zeit, Spektrum
(oder Wellenform) und Tonort, was (so dachte man) im Feld der
erregten Hörempfindung der Tonhöhe, der Lautheit, der Zeitdaür,
Klangfarbe und der Richtung entspricht.
Es ist nicht zu leugnen, dass physikalische Parameter auch vom
Komponisten im elektronischen Studio mehr oder weniger exakt
quantitatif definiert werden können. Eine derartige Exaktheit der
Beschreibung von musikalischer "Mikromaterie" hatte für den
Komponisten etwas Verführerisches. Endlich schien es möglich das
Material nicht mehr nur zu bearbeiten wie der Steinhaür den
Stein, sondern von Innen heraus zu beherrschen und, ausgehend von
Elementarsignalen, mittels genau definierter Umformung das
"gesamte akustische Continuum" aufzubaün. Endlich war also eine
Theorie mit exakten naturwissenschaftlichen Grundbegriffen (und
DIN-Normen) in Sicht.
********* insert lect681.old
Dieser Optimismus barg allerdings Gefahren in sich. Die Dinge
liegen nun einmal so einfach nicht, wie die Pioniere der
elektronischen Musik es sich dachten, und das schon deshalb, weil
die Klänge von Musik und Sprache durch ihre Entwicklung in der
Zeit chrakterisiert sind, was die Signalbeschreibung enorm er-
schwert, und weil es zudem keine einfache Brücke, sondern nur
sehr verschlungene Wege gibt, die Signal und Hörempfindungen mit
einander verbinden, und weil schliesslich (wie wir schon oben
sagten) die Signale ihren Sinn nicht selber enthalten (und also
stets der Gefahr ausgesetzt sind, von der herrschenden Gesell-
schaft in ihrem Sinne (um-)gedeutet zu werden. Vorallem aber
birgt dieser Optimismus die tödliche Gefahr in sich, dass der
Komponist
****************
Dieser Optimismus barg allerdings bereits die Gefahr der Verfüh-
rung in sich, dass der Komponist sich noch inniger der Technik
verschreiben könnte ((American) technology will solve our prob-
lems!) als es ohnehin schon der Fall war für das umfunktionierte
Musikleben, dem er den Rücken kehren wollte. Statt sich durch
Beherrschung der Technologie gewissermassen als "Ingenieur auf
seinem Gebiet" (1.14) zu befreien aus der Versklavung an die
Technik drohte der Künstler sich vollends als nützliches Glied in
die technologische Gesellschaft zu integrieren.
Für die Anfänge der elektronischen Musik in den 50er Jahren war
dies noch nicht der Fall. Trotz der Unterstüzung durch die Medien
(O.R.T.F., RAI, WDR) blieb die neü Richtung eine Angelegenheit
von wenigen Pionieren mit geringem Hörerkreis. (Darmstadt,
Domaine Musical u.a.). Das Interesse des breiten melomanen
Publikums galt damals der von der Elektroindustrie lancierten
HIFI-und Stereo-Welle. Der alte Gedanke, die Reproduktion mittels
den Wundern der Technik mit dem Original zu verschmelzen,
faszinierte den Käufer umsomehr als ihm jetzt durch billige
portable Apparatur auch die Manipulierbarkeit von Ort und Zeit
gegeben war.Die Reklame liess sich zu platter Irreführung des
Käufers herab, verstrickte ihn in das Labyrinth seiner Wunsch-
träume und nahm ihm seinen Geldbeutel ab. In Wirklichkeit wurde
nichts als eine Schuld abgetragen: HIFI brachte eine Verbreit-
erung des Freqünzbands der 78er Platte, dessen himmeltraurige
Schmalheit jeden Versuch um Wirklichkeit vorzutäuschen ohnehin
lächerlich machte; und die Stereophonie stellte eine Form des
Hörens wieder her, um die der Hörer durch die Segnungen der
armseligen Monophonie betrogen worden war. Trotz seiner unleug-
baren Verdienste ist der Rundfunk mitschuldig an dieser bewussten
Irreführung, welche auf das Musikleben von ungleich grösserem
Einfluss gewesen ist als alle Neürungen der Komponisten. Ich
betone: nicht die technischen Mittel, nicht die Mechanisierung,
nicht die Enthumanisierung oder wie man das allemal genannt hat,
sondern die bewusste Täuschung (der falsche Gebrauch) durch
technische Mittel haben zwar unsern Musikbetrieb ungeheür auf-
gebläht, dem Musikleben dagegen enorm geschadet. Im Schatten des
hypertrophen Baums ist es inhaltlich an Lügen verkümmert und
vergreist.
Hier hat die elektronische Musik Klarheit gebracht. Hier waren es
ihre Komponisten, welche zur Besinnung aufriefen; und hätte die
elektronische Musik keine andere Bedeutung als eben nur diese,
dann wäre sie schon völlig legitimiert.
____________________________________________________________
Fussnoten
ÿÿÿÿÿÿÿÿÿÿÿÿÿÿÿÿÿÿÿÿÿÿÿÿÿÿÿÿÿÿÿÿÿÿÿÿÿÿÿÿÿÿÿÿÿÿÿÿÿÿÿÿÿÿÿÿÿÿÿÿ
1.3 W.KÄGI, Was ist elektronische Musik (Zurich 1967)
1.6 N.WIENER, Kybernetik
3.0 J.CAGE, Silence ed.1961. Vgl. auch:
John CAGE, "22708Types", an interview with Henning Lohner, Frank-
furt a.M., dec.18, 1987, Interface Vol.18 pp.243-256).
H.L.: ...you 've said that music has contributed very little, if
not anything, to change the world.
J.C.: Yes.
H.L.: So, all in all, is that still your belief?
J.C.: Yes and No: There's nothing else I can do, and I would
like the world to change!(smiles).You can't improve things, each
person has to do it himself. And if you think you can force
people to be "better" than they are, you're barking up a tree
that you can't climb.
H.L.:But you never even have the feeling that you might be giving
something into your work of which you might suspect that somebody
will pull something out of it that's traditionally understood, or
even not traditional, for that matter?
J.C.:Well, that's what I do: I do all of that, and I do it
to my own satisfaction, but not to anybody else's necessarily.-
I try to make a complex anarchic situation!(smiles).
* Als Beweis für die Exaktheit der Beschreibung wurde die
Reproduzierbarheit via Apparat schon früh ins Spiel gebracht.
Ich erinnere mich eines Besuchs 1970 im EMS in Stockholm, wo
die Schwedischen Kollegen uns mit Stolz ihr erstes Stück hören
liessen: Studie I von Stockhausen, von Scratch funkelnagel neu
hergestellt.
1.2 C.CHERRY, Kommunikationsforschung - eine neü Wissenschaft
(S.Fischer 1963)
1.12SCIENTIFIC AMERICAN meldet 1895 die Erfindung einer Geige mit
Resonanzsaiten, die auch J.Joachim's Gefallen fand (L.de Vries,
Knotsgekke Uitvindingen van de 19de eeuw (Bussum 1971))
1.13Joseph SCHILLINGER schrieb 1929 sein "First Airophonic Suit
for RCA Theremin with Orchestra".
1.1 BRECHT war, nachdem er 1942 auf Betreiben von Eisler eine
Vorlesung Schönbergs besucht hatte, fasziniert von dessen
Haltung eines Ingenieurs, der den "Handbetrieb" in der Musik und
das Fehlen eines rein musikalischen Begriffsmaterials für die
Musik beklagte. (Kl.Völker, Bertold Brecht, rororo 1987 p320.)
1.15MALLARM‚, auf den sich Boulez beruft, hat sich sehr deutlich
über seine Ansichten ausgesprochen. Hier einiges ohne Kommentar:
Mallarm‚ (Variation sur un sujet) ...En lui-mˆme, le mot n'a aucune
beaut‚; il ne devient beau qu'en fonction des autres mots qui
l'entourent; de mˆme, en musiqü, une note, en elle-mˆme,
insignifiante, n'a de beaut‚ qü par rapport … la melodie dont
elle fait partie. Habilement dispos‚s, les mots s'illuminent et
s'enrichissent mutüllement. Ils laissent r‚sonner autour de leur
sens propre plusieurs harmoniqüs.(...) Ces sens seconds
n'existent qü grƒce au contexte. La signification du poŠme
s'enrichit consid‚rablement, mais son obscurit‚ s'accroit
d'autant.
(Crise de vers) Le vers qui de plusieurs vocables refait un mot
total, neuf, ‚tranger … la langü et comme incantatoire, achŠve
cet isol‚ment de la parole: niant, d'un trait souverain, le
hasard demeur‚ aux termes malgr‚ l'artifice de leur retrempe
altern‚e en le sens et la sonorit‚, et vous cause cette surprise
de n'avoir ou‹ jamais tel fragment ordinaire d'‚locution, en mˆme
temps qü la r‚miniscence de l'objet nomm‚ baigne dans une neuve
atmosphŠre.
M. bedaürt dass Pösie mit denselben Buchstaben gedruckt ist wie
die Tageszeitung und beneidet die Musik um ihr dem Profanen
unzugängliches Notationssystem. Zum Vorwurf des Esoterischen
bemerkt er (le mystŠre dans les lettres, 1896): Je pr‚fŠre,
devant l'agression, r‚torqür qü des contemporains ne savent pas
lire - Sinon dans le journal; il dispense, certes, l'avantage de
n'interrompre le chöur de pr‚occupations.
Tagebuch:file dag681.jou
09.01.68
Redundanz eines Satzes ist abhängig vom Empfänger resp. vom
Wissen davon, was er erwarten kann. CHERRY p.159. Ein Besuch von
dem ich weiss, er kommt heute mit dem Flugzeug in Zürich an,
braucht mir nicht zu telegrafieren: Ankomme heute 17.10 Kloten,
sondern bloss: 17.10. "Heute, Ankommen, Kloten" war mir schon
bekannt, ist für mich also Redundanz (nicht angewandte Zeichen).
Für jemanden aber, der in die Zusammenhänge nicht eingeweiht
ist, genügt die Nachricht: 17.10 durchaus nicht zur Beseitigung
seiner Ungewissheit, denn er hat zuwenig Wissen um das, was zu
erwarten ist. Anwendung auf Musik! (Das Treffen von Vorhersagen.)
Schrift-Sprache p.163/4.
09.01.68
Eine mögliche Einführung.
Wenn jemand mir sagt: Glauben sie dass das genügt?, so werde ich
zurückfragen;entweder:was? oder ich frage: Meinen Sie mich
(ich)? Im einen Fall bin ich unsicher, was die Bedeutung von das,
im andern Fall, was die Bedeutung von sie ist. Die Antwort, die
ich auf meine Frage erhalte, wird meine Ungewissheit beseitigen,
und ebenso wird die Antwort, welche ich meinerseits dem Gegenüber
jetz gebe, seine Ungewissheit verringern. Ich werde Ja sagen oder
auch:Nein, ich glaube, das genügt nicht! Und damit habe ich
jedenfalls eine Vorhersage bestätigt oder verworfen, die der
fragende inbezug auf seine Fragestellung getroffen hat. Auf alle
Fälle ist für ihn damit die Unsicherheit (im pos. oder neg.Sinne)
beseitigt.
Antworte ich dagegen:Der Biss der Schlange ist giftig! so wird es
für den Fragesteller schwer halten, dies als Antwort zu verste-
hen, da sie seiner Erwartung, seiner Vorhersage nicht entspricht.
Meine Antwort trifft in einen ganz anderen, unerwarteten Bereich.
Er wird zurückfragen: Was wollen sie damit sagen? und ich
antworte:Ich wollte sagen, X ist gefährlich wie eine giftige
Schlange, man muss sich in Acht nehmen vor ihm... und der andere:
sie glauben also, dass das nicht genügt? und ich:Nein! ...und
damit ist die Ungewissheit beseitigt. Jeder Informationsaustausch
ist beseitigte Ungewissheit. Aber jeder solche Austausch ist
Störungen unterworfen, sei es, dass die Formulierung nicht klar
ist, sei es, dass Rede und Gegenrede, wie in unserem Beispiel, in
unerwartete Bereiche treffen (zB eine Parabel oder einen Witz
anführen etc), sei es, dass sie gest™rt werden durch äussere
Störeinflüsse wie Strassenlärm etc. Im Gespräch wechseln Rede und
Gegenrede und in langfädigem Kreisen um den Gegenstand;er wird
allmählich abgetastet, eingekreist und schliesslich klar gelegt.
Dazu helfen nicht nur das uns gewohnheitsmässig vertraute Vehikel
(Medium) der Sprache, sondern auch Gesten und Deuten etc, und wo
dies letztere, wie etwa am Telefon, nichts hilft, wird unablässig
dasselbe wiederholt......
1.1 17.03.69 file dag692.jou
Hans Kl.Metzger in 'John Cage'. Aufsatz aus dem Jahre 1959. Es
ist auffallig, wie sehr Musik auch da noch als Gegenstand
aufgefasst wird. M.spricht von der Perfektion Schönbergscher
u.Webernscher Partituren und meint dann, dass hier das Werk mit
sich selber identisch werde (oder ahnlich; auf alle Fälle denkt
er, dass die Partitur damit jede Variabilität der Aufführung
ausschalte und daher beides eins werde.) Ein solcher Schluss kann
nur auf dem Mist der gegenständlichen Musikbetrachtung gewachsen
sein. Gleichwohl sind Metzgers Gedanken (zwar deutsch!deutsch!,
aber)streckenweise sehr interessant. Und immerhin hat er 1959
bereits vieles über Cage nicht nur gewusst sondern auch verstan-
den. Žrgerlich aber ist und bleibt der salopp-arrogante Jrgon,
der sich inzwischen in Ms. Prosa zu sehr unangenehm maliziösem
Zynismus gesteigert hat. Salonrevolutionär.
1.7 26.10.68 file:dag683.jou
Ad: Volkshochschul-Vorlseung MS p.14:
Heute nacht ist mir eingefallen, dass in meinen Vorlesungen ein
Gedankengang fehlt. Das habe ich zwar schon lange empfunden,
jetzt aber zeichnet sich das Fehlende ab.
ES fehlt a.a.O.
"wahrscheinlich eine infinite Menge". Zürst muss geklärt werden,
was "informativ werden" heisst auf p.7. Zunächst handelt es sich
um eine beiden Seiten bekannt finite Grundmenge M={u, o, a, e, i}.
Daher gilt für jedes xîM: ~(x = e) impliziert x =(either u or o
or a or i). Jedes Zeichen der Grundmenge hat zunächst nur die
eine Bedeutung: es schliesst alle übrigen aus. Weitere Bedeutun-
gen folgen nicht aus der Grundannahme; sie müssen gegeben werden
durch die "Anwendung" dieser Zeichen. In unserm Falle haben beide
Seiten der Nachrichtenkette gleiche Bedeutungen für die verwende-
ten 5 Zeichen, dh, dieselbe Anwendung, dh es wurde ihnen derselbe
Sinn zugrunde gelegt. Es ist also mehr als ein blosser Zeichen-
vorrat.
Jetzt p.14:Wenn man die musikalische Aufführung nun als Regel-
kreis auffasst, so ist eines sicher: die Grundmenge der ausge-
tauschten Signalmuster ist sehr viel grösser als in Beispiel p.7.
Ja wir müssen annehmen, sie sei dem Hörer in den meisten Fällen
nicht oder nur teilweise bekannt ist.
Aha! Durch die Exposition einer n-stimmigen Fuge wird zB die
(finite)Grundmenge der melodischen Muster oder Figuren festgelegt
und dem Hörer bekannt gemacht. Danach folgt alles wie im Spiel
nach den durch das Label "Fuge" festgelegten Spielregeln.
(Forkel-Zitat über Bach, der beim Anhören der "Exposition" einer
Fuge genau wusste was kommen kann (Form) und (bei einem guten
Stück) kommen muss, dh. was der Fall sein kann und was der Fall
sein soll. (Die beste unter den möglichen Wirklichkeiten.) Das
umfasst allerdings vielmehr als nur relationale Netzwerke von
melodischen Mustern und Supermustern, entgeht indessen dem Hörer
(und dem Musikwissenschaftler). Und die Bedeutungen in unserm
Fugenspiel? Aus dem Sinn, dem man dem ganzen Spiel gibt
(Spielregeln) erhalten die Teile ihre Bedeutungen (Fugenthema,
Dux, Comes, Engführung etc). Und weiter? Art bzw. Charakter des
Themas, des Stücks: zB. langsam/schnell, hell/dunkel, rhyt-
misch/unrhytmisch etc. (das scheint ja bereits ins nicht-koopera-
tive hinüber zu leiten...)
Sicher ist: dass das "Spiel" nur von einem Hörer mitgespielt
werden kann, der
a) die Grundmenge (von Relationen! Zusatz Apil'90) wenigstens
teilweise heraushören kann, dh, also über Vorstellungs-, Abstrak-
tionsgabe und nötige Erfahrung verfügt um ein Modell in Anwendung
bringen zu können,
b) die Spielregeln kennt, was ja eigentlich bereits für a)
Voraussetzung ist. Sicher ist dies: die übermittelten Signal-
muster haben keinen Sinn, sondern nur die Möglichkeit einen
solchen auszudrücken. ZB.
---> Anfang v.Beethoven V.
---> Stimme Amerikas während des 2.Weltkriegs
oder: šb immer Treu und Redlichkeit
Pausezeichen von Radio X
oder: Beethovens Eroica
"C'est l'Empereur!"
Es braucht also: gemeinsamen Zeichnvorrat, Regeln (bei Bach und
Webern gibt es wenig Redundanz), Hinweise. Und letztere vermag
nur die Aufführung homogen dh. für alle Hörer gleicherweise zu
vermitteln. Achtung: Unterscheiden zwischen:
a) šbereinstimmung des Sinnes bei allen Hörern*
b) šbereinstimmung des Sinnes bei allen Hörern und
.......!(unlesbar).
*zB. Nietzsche als "Autorität" bei allen Nazis einer Versammlung
oder Marx bei allen Kommunisten. Diese behaupten zwar immer b).
Das Beispiel der DA capo Arie:
bekannt: ABA
übermittelt: ein möglicher Sinn durch Signalmuster und Situation
bekannt: Kunst des Auszierens und des Belcantostils
übermittelt: eine mögliche Wirklichkeit die mit andern
Wirklichkeiten verglichen wird (---> Urteil: gut, schlecht etc.) wie
beim Sportwettkampf zb. beim Kunstreiten oder Springen).
Dazu: eine Menge von nicht-kooperativen Komponenten.
Je niedriger die Kunst, desto grösser der Anteil an nicht-
kooperativen Elementen; das hat nichts zu tun mit Einfachheit zb
in Mozarts Zauberflöte. Dort sind vielmehr die log. Bezüge für
ein breites Publikum auf dieselbe Weise erfassbar.
Je weniger Hinweise eine Musik braucht, desto weiter entfernt sie
sich von der Aufführung. ZB. Bach Fugen. ---> Lesedrama!
1.71 Tagebuch:03.08.65 file dag654
Konservierung auf Schallplatte.
Es scheint, dass man sich zu anfang der akustischen
Konservierungstechnik (Fonograf, Gramofon, Magnetofon) nicht über
das Wesen und die Konseqünzen der Konservierung im Klaren war.
Irgendwie war es nun möglich, die Flüchtigkeit des Zeitgebundenen
zu überwinden und beliebig wiederholbar zu machen. šbersehen
wurde (und wird noch immer)
1) dass es sich beim Wiederholbaren um eine Aufzeichnung, ein
Bild handelt, während das originale Ereignis nach wie vor
flüchtig bleibt;
2) dass die Reproduktion auch bei zunehmender technischer
Perfektionierung nur das originale Ereignis täuschend ähnlich
vorstellen, niemals aber es selber werden kann.
Ich glaube, dass die Jazzmusiker resp. ihre Produzenten als erste
die Schallplatte richtig gebraucht haben. Als Mittel, durch
beliebig wiederholbare Reproduktion an eine grössere Hörerschaft
heranzukommen (wie der Holzschnitt der Dürer-Zeit). Diese Musiker
haben auch nicht verschmäht, selbst die Länge und damit Form
ihrer Kompositionen auf die Möglichkeiten der damaligen 3-
minuten-Platte abzustimmen.
Während der klassische Musiker noch völlig befangen war im
weihevollen (atechnischen) Musikbetrieb des 19 Jdts, haben die
Jazzmusiker die neün Möglichkeiten schnell erkannt, bejaht und
richtig auszuwerten verstanden. Im lebendigen Umgang mit der
Aufnahmetechnik ihrer Zeit haben sie Ansätze zu neün Instrumen-
ten, Spielweisen und eine reiche Zahl von neün Klangkombinatio-
nen und Enselbles verwirklicht. (Die besten Aufnahmen wurden
durch einen Amateur gemacht (Zahnarzt?). Im "klassischen Bereich"
wurde von den Komponisten nur zögernd begriffen und zugegeben,
dass die Schallplatte mit dem Kunstbuch zu vergleichen wäre, für
welches ein möglichst weiter Interessentenkreis gewonnen und alle
Mittel der Werbung eingesetzt werden können, rücksichtslos wie
man für Sonnenbrillen oder Autos wirbt. Und damit tat man das
Richtige: man erkannte die Schallplatte endlich als Mittel der
Massenreproduktion.
1.72 Schallplatte:
1) Der flüchtige Augenblick wird festgebannt. Man hält es
zunächst für das Ding und nicht für sein Abbild;
2) Man erkennt schliesslich das Abbild, gibt es aber weiterhin
für das Original aus (für eine Art musikalischer Graphik, welche
auch in der Vervielfaltigung Original bleibe). Einzig die
Jazzmusiker akzeptieren die Platte künstlerisch und kreieren mit
ihr eine echte musikalische Graphik.
3) Man befreit sich von der Hemmung, Künstlerisches mit Komer-
ziellem zu verbinden und betreibt Werbung (Plattenhülle!), Markt-
forschung und -erschliessung (zB.Teenager-Musik), im Unterhal-
tungssektor ganz unverhohlen, im "klassischen Bereich" immer noch
schamhaft kulturell verbrämt (Platten der Jeunesses musicales,
Bärenreiter etc).
Musikbetrieb und Musikleben können einander beeinflussen, sie
sind aber zwei verschiedene Dinge. Jeder Versuch, den Musikbe-
trieb für das Musikleben auszugeben ist bewusste Irreführung,
ebenso wie es irreleitend ist die Reproduktion für das Original
aus zu geben. Man sage nicht entschuldigend, alle wüssten ja um
den wahren Sachverhalt, während man bewusst aufs Täuschen aus
ist. Denn viele Menschen verlangen blindlings danach, brauchen
eine "andere Welt", um aus ihrer unlebbaren eigenen zu flüchten
in eine technische Scheinwelt, die ihnen keine Aufgaben stellt.
Und gerade hier hakt der Kunstbetrieb ein: gewissermassen als
Stossdämpfer, als kommerzielle Wattierung oder Droge. Ist dies
die Aufgabe der Kunst?
Vielleicht ist es mit ein Grund dass sich die Malerei ins
Ungegenstandliche verzogen hat?
1) Anstoss: die Fotografie (man denke ans Portrait)
2) Ideale Inhalte, welche früher oft Gegenstand der Darstellung
waren (Maria, Heilige, Fürsten etc.) sind heute geistiger,
Abstrakter geworden, also gegenständlich nicht mehr leicht
fassbar;
3) Wattierung, Softmusik, bewusstes Nicht-explizit-darstellen-wollen,
Verbleiben in unverbindlichem Formalismus. Risikolose Scheinwelt.
Ich habe den Eindruck, abstrakte Kunst ist leider heute nurmehr
das. Pop-Art versuchte Ausbruch.
folgt: Vorlesung vom 17.Juni 1968
file:\lect\lect682.wer
Fünfte Vorlesung vom 17.Juni 1968 (mein Geburtstag)
******Zusammenfassung:
Die komplexen Zusammenhänge zwischen Signal, Hörempfindung und
Sinngebung sind von zahlosen Musikergenerationen während Jahr-
tausenden auf ihre Weise beobachtet worden; die Ergebnisse sind
von den Musikern und Instrumentenbaürn laufend ausgewertet und
als "Programme" in Musikinstrumenten und theoretischen Anweisun-
gen, wie Musik zu machen sei, gespeichert worden.
Trotz ihrer Jugend wird das auch für die elektronische Musik
nicht anders sein. Ihr "technisches " Auftreten ändert nichts
daran, weil sich ja die traditionelle Musik ebenso gut (oder
schlecht) durch die naturwissenschaftliche Brille betrachten und
deuten lässt wie die elektronische. In einem aber ist die e.M.
m.E.neuartig: sie hat dem Komponisten zum erstenmal in der Musik-
geschichte die Gelegenheit gegeben, ja ihn sogar herausgefordert,
in seiner Arbeit von elementaren physikalischen Voraussetzungen
auszugehen. Es entsprach dies dem Streben einer kleinen, aber
eifrigen Schar von jungen Komponisten jener Zeit, über die
parametrische Organisation der Makrostruktur hinaus einen kühnen
Vorstoss in die musikalische Mikrostruktur zu wagen. Stockhau-
sen's Werke Studie I, II und "Gesang der Jünglinge" (1953-56)
sind eindrückliche Beweise dafür. In systematischer Weise werden
die Möglichkeiten des Aufbaus musikalischer Kompositionen aus
Sinustönen, Klanggemischen und Rauschen und schliesslich aus
Impulsen exploriert.
Die Elementarsignale
Die elektronische Musik im engeren Sinne (dh. von der Art, wie
sie vom Kölner Studio in seinen Anfängen propagiert wurde)
verzichtet nicht nur auf das herkömmliche Musikinstrument als
Klangqülle, sondern auch auf das Mikrofon. Sie bedient sich aus-
schliesslich der synthetischen Klangerzeugung mit elektronischen
Mitteln und geht dabei von den sogenannten Elementarsignalenn
aus.
Was ist unter Elementarsignalen zu verstehen? Wenn Nachrichten
von einer Qülle an einen Empfänger übertragen werden, so
geschieht es immer durch einen Kanal. In jedem Kanal gibt es
Rauschen, das einen stationär-aleatorischen Vorgang darstellt.
Völlig mit (gaussischem) Rauschen ausgefüllt vermöchte der Kanal
keine Nachricht mehr in sich auf zunehmen.(Seine Dynamik betrüge
OdB.) Das ist natürlich nicht wünschbar; es wird im Gegenteil
danach gestrebt, den Rauschpegel im Kanal so tief (und damit die
Dynamik so hoch) als möglich zu halten. Auch das menschliche
Hörfeld (von ca.16 bis 16'000Hz) kann von Rauschen völlig
überdeckt werden wie die Landschaft vom dichten Nebel. In der
Produktion von elektronischer Musik wird das aus der Technik
entlehnte Weisse Rauschen als Elementarsignal verwendet, das mit
dem weissen Licht verglichen werden kann. So wie aus weissem
Licht durch optische Filter Teile herausgegriffen werden können,
die man Farben nennt, so lassen sich auch aus weissem Rauschen
Teile herausgreifen, die man farbiges Rauschen nennt. Wird das
Rauschen, wie oben erwähnt, als ein stationär-aleatorisches
Geschehen von endlicher effektiver Daür aufgefasst, das durch
eine Zeitdaür und eine Freqünzband [fmin,fmax] charakterisiert
ist, so wird es einsichtig, dass farbiges Rauschen durch den
Abbau der Bandbreite erhalten wird.
(Abb.)
Die Umformung von weissem in farbiges Rauschen wird technisch
realisiert, indem man das weisse Rauschen einem Rauschgenerator
entnimmt und es mittels elektrischer Filter in der gewünschten
Weise abbaut. (Abb.)
Ginge man bei diesem Abbau soweit, mittels (idealer, nicht
realisierbarer) Filter das Freqünzband auf eine einzige horizon-
tale Linie einzüngen, so müsste man den Sinuston bezw. einen
einzigen diskrete Freqünzwert erhalten. Der Sinuston kann dem-
nach als Kompression des Freqünzbandes verstanden werden. Er
lässt sich freqünzmassig nicht weiter abbaün; mit ihm ist eine
äusserste Grenze (die einfachste oder Sinusschwingung) erreicht,
und deshalb nennt man das Signal des Sinustones ein Elementarsig-
nal.
Baut man weisses Rauschen nicht durch Kompression des Freqünz-
bandes, sondern in der Zeitachse ab, indem man seine Zeitdaür
immerfort verkürzt, so wird das Signal zu einer immer dünneren
Impulsnadel von endlicher Daür und man hört ein Knack. Dieser
kann als zeitliche Kompression des weissen Rauschens verstanden
werden. Man nennt auch den Knack ein Elementarsignal. Weitere
Elementarsignale gibt es für die elektronische Musik nicht.
Vgl.00 tonburst
(Abb.)
Die Umformung von weissem Rauschen in den Knack ist technisch zu
erreichen, indem man weisses Rauschen mittels der Torschaltung
eines Impulsgeneratos zeitlich immerfort verkürzt.
(Abb.)
Wird die Zeitdaür eines Knacks unterhalb ca 10ms sukkzessive
weiter verkürzt, so wird der Knack für das Ohr immer leiser und
verliert sich unterhalb der Daür von ca 1ms (dh. er versinkt im
Rauschen des Ohres, Hörschwelle ).
Aus den Elementarsignalen lassen sich (theoretisch) alle aku-
stischen Erscheinungen der Klangwelt gewinnen, so wie aus Atomen
und Molekulen chemische Verbindungen synthetisiert werden können.
Während die Klänge und Geräusche der herkömmlichen Musikinstru-
mente auch in ihrer einfachsten Form immer schon sehr komplex
sind und also gewissermassen bereits chemische Verbindungen
darstellen, aus denen eine ganz bestimmte Anzahl von abgeleiteten
Verbindungen zu gewinnen sind, geht die elektronische Musik von
den elementarsten Bausteinen aus und hat also die Möglichkeit,
nicht eine Auswahl, sondern die Gesamtheit aller akustischen
Erscheinungen aufzubaün. Von dieser Art waren die Vorstellungen
und Ideen, die der elektronischen Musik in ihren Anfängen Pate
gestanden haben.
******************************insert lect681.old
Aber (...) die Dinge liegen nun einmal so einfach nicht, wie die
Pioniere der elektronischen Musik es sich dachten, und dies schon
deshalb, weil die Klänge von Musik und Sprache durch ihre
Entwicklung in der Zeit charakterisiert sind, was die Signal-
beschreibung enorm erschwert. Zudem gibt es keine einfache
Brücke, sondern nur sehr verschlungene Wege, die Signal und
Hörempfindung miteinander verbinden, und schliesslich enthalten
Signale (wie wir wissen) keinen Sinn und sind daher stets der
Gefahr ausgesetzt sind, von der herrschenden Gesellschaft in
ihrem Sinne (um)gedeutet zu werden.
******Beispiele
a) Vokal nur an seiner Attake erkennbar.
b) Tonhöhenempf. von der Amplitude abhängig (laut/höher)
Amplitude ihrerseits von Freqünz abhängig (Kurven gleicher
Lautheit.
c) Wir erkennen den obigen Vokal nur, weil wir dem Signal bzw der
erregten Hörempfindung einen Sinn geben können. (Auch wenn einer
sagt: ich erkenne die Vokale nicht nur beim Anhören, sondern
auch an ihrer Wellenform (oder am Spektrum) der Vokale, dann
spricht er von den Mustern, die er in das Signal heranträgt
(dies ist Element der Klasse K etc, Signalmuster = Zeichen)
d) Sinngebung? *******************
Wenn wir nun im folgenden von der Technik der elektronischen
Musik sprechen werden, dann dürfen wir nicht aus dem Auge
verlieren, dass es sich da, wo akustische Vorgänge für den
Komponisten messbar sind wie im elektronischen Studio, nicht
darum handeln kann, die gemessenen Daten als Ausgangspunkt für
"mathematische" Strukturierungen zu verwenden, die dann automa-
tisch auch die sinnvolle Organisation eines musikalischen Werkes
garantieren sollen.(1.15) Vielmehr sind gewissenhaft auseinander
zu halten: a) das physikalische Signal (beschreibbar durch seine
Parameter), b) die erregte Hörempfindung (teilweise beschreibbar
durch physio-logische und psychometrische Teste) und c) Konota-
tionen, dh.Sinn u.Bedeutung, welche der Hörer aus seiner konzep-
tüllen Welt bezieht und den erregten Empfindungen zuordnet.
Jede dieser drei Ebenen unterliegt eigenen Gesetzen, und der
Zusammenhang unter ihnen ist einzig und allein durch Erfahrung zu
ergründen. Jeder Versuch, Musik in der Art eines mathematischen
oder logischen Systems a priori aufzubaün, ist daher zum
Scheitern verurteilt. Alle Sätze eines mathematischen Systems
sind und bleiben immer von der Form A=A. Es sind Tautologien, die
nichts über die Wirklichkeit aussagen.
Soweit Mathematik mit der Wirklichkeit zu tun hat, sagt EINSTEIN,
ist sie ungewiss; und soweit sie gewiss ist, hat sie nichts mit
der Wirklichkeit zu tun.
Wir können zB. ein musikalisches System (im Geist des
"Universellen Serielalismus") aushecken, in dem die folgende
Spielregel gelten soll:
Mein Stück besteht aus m Seqünzen von n aufeinander folgenden
Tönen; dabei gilt für jede Seqünz, dass sich die aufeiander
folgenden Werte jeden Parameters der enthaltenen n Töne in
gleichen Verhältnissen zu einander verhalten, sodass also für
alle Parameter der Töne 1 bis n gilt:
p1:p2:p3:...:pn.
Und jetzt legen wir für die erste Seqünz die p1 zugeordneten
Anfangswerte für alle Parameter fest (wobei wir aus einsichtigen,
aber hier nicht weiter erklärten Gründen die Freqünz f(Hz) durch
ihren reziproken Wert 1/f (Periodendaür in s) ersetzen); damit
ist der erste Ton von Seqünz 1 wie folgt definiert:
Periodendaür(s) = 0.0052 (=192,3Hz)
Amplitude(phon) = 65
Spektrum = Sägezahn
Zeitdaür(s) = 0,13
Schliesslich definieren wir auch die Verhältnisse (zunächst für
die drei ersten Töne der Seqünz):
p1:p2:p3:... = 13:1:9
Unserer Spielregel zufolge gilt nun für die ersten drei Töne
unserer Komposition:
Seqünz 1, Ton 1 2 3
ÿÿÿÿÿÿÿÿÿÿÿÿÿÿÿÿÿÿÿÿÿÿÿÿÿÿÿÿÿÿÿÿÿÿÿÿÿÿÿÿÿ
Periodendaür(s) = 0,0052 0,0004 0,0036
(Freqünz(Hz) = 192,3 2500 277,7)
Amplitude(phon) = 65 5 55
Spectrum = Sgz. Sgz. Sgz. (Sgz.=Sägezahn)
Zeitdaür(s) = 0.13 0.01 0.09
Zwar können wir die Tonhöhen jetzt einer Tabelle entnehmen:
(g(-33Cent), dis''''(+8Cent),cis'(+4Cent)),
aber wie das nun wirklich klingen wird, sagt uns die Spielregel
auch dann nicht, wenn wir den ersten "Ton" gehört haben. Das kann
nur durch das Experiment erfahren werden. Dabei wird es sich
zeigen, dass kein linearer Zusammenhang besteht zwischen Signal
und erregter Empfindung. Was die Lautheit betrifft, wird unser
Ohr viel empfindlicher sein für den hohen zweiten als für die
tieferen Töne 1 und 3; keine Spur mehr von den oben definierten
Proportionen! Noch viel schlimmer steht es um die Zeitdaürn: wir
hören ein kurzes "Sägezahn"-g, einen sehr hellen Klick und ein
kurzes "Sägezahn"-cis'; damit sind auch die oben definierten
Tonhöhen-Verhältnisse zerstört.
Wir werden uns also genau überlegen müssen, was wir im folgenden
unter der "Technik der elektronischen Musik" verstehen und welche
Rolle sie im Rahmen der musikalischen Komposition wird spielen
können. Ganz allgemein lässt sich sagen, dass die Klangwerdung
einer elektronischen Komposition in einem Umformungsprozess
besteht. Was der Komponist als Resultat dieses Prozesses erwar-
tet, ist Sache seiner künstlerischen Haltung. Der eine wird seine
Eingabedaten genaustens "strukturieren" und das Klangergebnis
erstaunt in Kauf nehmen, während für den andern die Intensität
seiner musikalischen Vorstellung und schärfste Urteilsfähigkeit
seines Ohrs die Wahl der Eingabedaten bestimmen. Ich verrate kein
Geheimnis, wenn ich mich zum letzteren bekenne. Damit schliesse
ich das fruchtbare Experimentieren nach der trial-and-error-
Methode nicht aus, das ich eben gerade wegen der kompexen
Verhältnisse zwischen Signal, Hörempfindung und Sinngebung sogar
als unerlässlich erachte für das "elektronische" Komponieren.
******************
Wenn wir uns nun anschicken die Frage zu erörtern, auf welche
Weise der Aufbau aus Elementarsignalen im einzelnen geschehen
kann, dann müssen wir uns der Unterschiede erinnern, die zwischen
Signal, Hörempfindung und Sinngebung bestehen. Die drei Ebenen
dürfen nicht mit einander verwechselt werden. Das Signal ist ein
physikalisches Konzept, die erregte Hörempfindung ein physiolo-
gisches und der Sinn ein "logisches". (Ein Rechtecksignal von
25kHz erregt keine Hörempfindung, und es kann ihm also kein
musikalischer, wohl aber ein technischer Sinn zürkannt werden
(zB. Messignal); ein Rauschband von 8 bis 16kHz hört sich wie das
Summen von Insekten an, es wird also vom Ohr wahrgenommen und
kann gedeutet werden.) Eine klare Unterscheidung der drei Ebenen
ist umso wichtiger, als der Komponist bei der synthetischen
Klangerzeugung immerfort gezwungen ist, von der einen zu den
andern Ebenen überzuwechseln. Der Komponist trägt ja sein Ziel
letztlich stets in Form einer sinnlichen Klangvorstellung in sich
und beurteilt das Resultat einer im elektronischen Umformungs-
prozess erhaltenen Information nicht an ihren physikalischen
Parametern, sondern durch den Vergleich der vom Signal erregten
Hörempfindung mit der Klangvorstellung, die er sich macht. Auch
im elektronischen Studio wird der Komponist nicht etwa sagen, die
Parameterwerte eines erhaltenen Signals seien in Ordnung (das tut
der Techniker), sondern er wird feststellen: ja, das klingt
richtig! Selbstverständlich wird seine Erfahrung ihn mit der Zeit
befähigen, sich im Voraus vorzustellen, was die von einem
bestimmten Signal hervorgerufene Hörempfindung sein wird. Auch im
Umgang mit der elektronischen Klangerzeugung wird der Komponist
sich also auf dieselbe Weise einen Erfahrungsschatz erwerben, wie
ihn der Umgang mit den herkommlichen Musikinstrumenten und ihren
Kombinationen allmählich mit sich bringt.
Aus dem gesagten erhellt, dass man die Technik der elektronischen
Musik sowohl aus physikalischer Sicht als auch von der physio-
logischen Seite her beschreiben könnte, ohne dadurch weder auf
die eine noch die andere Weise der Sache ganz gerecht zu werden.
Den tatsächlichen Verhältnissen kommt man näher, wenn man (wie
der Ianuskopf) immerzu nach beiden Seiten blickt, nach der
Hörempfindung und nach dem Signal, was fortan zu tun wir uns
vornehmen wollen.(1.21) Die Ebene der Sinngebung bleibe zunächst
noch ausgeklammert, nicht weil wir sie geringer achteten, sondern
im Gegenteil, weil sie in das Labyrinth der Formerkennung
(pattern recognition) und in die Geheimnisse des Aufbaüs geisti-
ger Vorstellungswelten, kurzum in die tiesten Probleme des
menschlichen Geistes ausmündet.
Klangsynthese aus Elementarsignalen:
Den einfachsten aller periodischen Schwingungsvorgänge haben wir
bereits kennen gelernt; es ist der Sinuston, auch die harmonische
oder Sinusschwingung genannt. Sie kann als zeitliche Ableitung
der Schwingung eines mathematischen (dh.reibungs-und masselosen)
Pendels verstanden werden. Eine derartige Schwingung ist durch
die Anzahl ihrer Schwingperioden p.s. und durch die Weite ihres
Ausschlags, dh. durch Freqünz f und Amplitude A definiert. Das
Signal lässt sich in der Ferqünzdomäne als ein-fache senkrechte
Linie darstellen.
(Abb.)
Im menschlichen Ohr vermag ein Signal nur dann eine Empfindung zu
erregen, wenn seine Freqünz innerhalb der Grenzen von ungefähr
16 bis 16'000Hz und seine Amplitude innerhalb von ca 2x10**-4 und
2*10**2 Mikrobar Schalldruck (auf das Trommelfell) liegen
(menschlicher Hörbereich). Innerhalb dieser Grenzen hört das
menschliche Ohr Sinustöne als farblose, allein durch Tonhöhe und
Lautheit ausgezeichnete fade Töne, die an eine leise angeblasenen
Qürflöte oder den sanft ausgesprochenen Laut M erinnern. Auf
Fälle, wo Tonhöhe und Lautheit sich gegenseitig beeinflussen, ist
bereits hingewiesen worden; dass die entsprechenden Signal-
Parameter aber stets voneinander unabhängig sind, bleibt jetzt
nachzutragen. Auch hier zeigt sich wiederum, dass Signal und
Wahrnehmung ihre eigene Wege gehen.
Sinusschwingungen lassen sich zusammenfügen, und je nach den
gegenseitigen Verhältnissen der Parameterwerte erregen die zusam-
mengesetzten Signale im Ohr die Empfindung von Klängen oder von
Geräuschen.
Klänge entstehen dann, wenn Sinusschwingungen zusammengesetzt wer-
den, deren Freqünzen mindestens je 30Hz auseinander liegen
(zB.400 und 450Hz). Ist das nicht der Fall, so neigt der Klang
zum Geräuschhaften (zB.400, 425 und 450Hz, Tongemische nennt es
Eimert) oder es entsteht sogar ein Geräusch (zB.400, 411 und
450Hz). Die "reinsten" Klänge sind die sogenannten harmonischen
Klänge; sie werden durch Signale erregt, deren Freqünzen im
harmonischen Verhältnis ganzer kleiner Zahlen zu einander stehen
(zB.400,800 und 1200Hz = 1:2:3). Die einzelnen Teilschwingungen
von Signalen dieser Art werden die Harmonischen genannt
(zB.1.Harm.(400Hz),2.Harm.(2x400=800Hz),3.Harm.(3x400=1200Hz)etc.).
Die Klänge vieler Musikinstrumente sowie die Vokale der gespro-
chenen Sprache sind (annähernd) harmonische Klänge. Wie das
Signal der einzelnen Sinusschwingung durch eine senkrechte Linie,
so lässt sich auch das Signal jeder aus Sinussignalen zusammenge-
setzten Schwingung durch eine Vielzahl von senkrechten Linien in
der Freqünzdomäne darstellen. Als sogenanntes Freqünz-Spectrum
bilden sie die Freqünz- und Amplitudenwerte jeder Teilschwingung
und ihre gegenseitigen Verhaltnisse ab.(Vgl.
Abb. 00 und 00).
(Abb.)
Da nicht nur die Freqünzen der Teilschwingungen(1.22), sondern
im Mischpult auch deren Amplituden geregelt werden können, ist
es möglich, durch wechselweises Verändern der Potentiometer
(oder Regler-)Einstellungen Klänge von verschiedensten Klangfar-
ben zu erzeugen. Dieses Verfahren nennt man die additive
Klangsynthese.
Wir greifen als Vorbild die Synthese eines Klanges aus
Sinustönen heraus, deren Freqünzen sich wie ungerade ganze
kleine Zahlen züinander verhalten, also wie 1:3:5:7:...(zB. 450,
1350, 2250, 3150Hz...usw.). Wenn nun auch die Amplituden der
Reihe nach in denselben Verhältnissen abnehmen, so nähert sich
das Ergebnis mit wachsender Anzahl der beteiligten Sinustöne
einem Rechtecksignal, das allerdings niemals erreicht wird, weil
immer nur eine endliche Anzahl von Sinustönen verfügbar sein
wird. (Aus demselben Grund kann das Rechtecksignal nicht auf
Tonband registriert werden, dessen Bandbreite im besten Falle
13,5kHz nicht übersteigt.) Das Signal kann aus einem
Rechteckgenerator erhalten werden, allerdings auch hier nur als
Näherung zum Ideal, da ja die Anstiegs- und Abfallflanken immer
eine wenn auch noch so kurze endliche Zeitdaür in Anspruch
nehmen. Als nützliches Messignal ist der Rechteck das Liebkind
des Technikers; für den Komponisten taugt er indessen trotz
seines hohlen Klanges nur wenig.
Umso bessere Dienste leistet dem Komponisten der Sägezahn, ein
aus Sinustönen zusammengesetztes Signal, deren Feqünzen im
harmo-nischen Verhältnis von 1:2:3:4:5:...züinander stehen und
deren Amplituden im nämlichen Verhältnis abfallen. Auch hier wird
man das Signal einfach aus einem Sägezahngenerator beziehen.
Mit einem guten Terzfilter kombiniert findet der Sägezahn Verwen-
dung in der elastischen und wirksamen subtraktive Klangsynthese .
Ihren Namen verdankt das Verfahren dem Umstand, dass aus einem
reichen Spectrum (hier einem harmonischen) Teiltöne durch Filte-
rung nach Wunsch gedämpft oder unterdrückt werden können. Auch
die bereits erwähnte Gewinnung von farbigem Rauschen durch
Filterung gehört zum Verfahren der subtraktiven Synthese.
Wenn Sägezahn- und Rauschgenerator wahlweise mit einem
Terzfilter kombiniert werden, erhält man in nuce die sogenannte
Linear Prediction, ein Verfahren, das bereits in der 30er Jahren
als Voder erfolgreich für die Sprachsynthese eingesetzt worden
ist. Auch heute findet der Voder als Decodierungsteil des
Vocoders im elektronischen Studio immer noch Verwendung.
Ev.Schema
Klangsynthese mittels Impulsen,ein Projekt (Skizze):
Lättli steckli musig. Tonburst
Vorlesung 68 Ms p42: Wasserfall der austrocknet, bis nur noch ein
einziger tropfen herunterfällt.
Platte 1970: Ordnen wir jetzt eine Vielzahl von Knacken in
gleichmässigen Abständen zu einer zeitlichen Folge:
(ex.)
und beschleunigen wir die Geschwindigkeit, mit der sich die
Knacke folgen:
(ex.)
so wird aus der Knackfolge ein Klang dh. eine Tonhöhenempfindung
mit Klangfarbe. Und jetzt verschwindet die Klangfarbe wieder:
(ex.)
und übrig bleibt die Tonhöhe. Wir sind wieder beim Sinuston.
Aus Vorlesung (Ms p46): ...da das Ohr, um einen Tonhöheneindruck
zu erhalten, je nach Freqünmzinhalt mindestens ca 12ms, meistens
aber mehr braucht. Immerhin wissen wir aus Erfahrung, dass wir
das Fallen eines Wassertropens vom Aufschlagen des fallenden
Bleistifts , den fernen Schuss eines Gewehrs vom Klicken eines
Schalters etc sehr wohl unterscheiden. Den einfachen Schlag der
Baskentrommel wird der Musiker niemals mit jenem einer Militär-
trommel verwechseln, und im sprachlichen Umgang werden wir die
Laute p,t,k nicht oft durcheinander.
Impulsnadel ist Fenster*Schwingung. One shot. Abbau bis zur
Periode (des Trägers)= Toneburst, erhalten aus TB-Genertor.
Damals war mir seine Existenz bekannt (Skilling) aber Experimente
nur sehr beschränkt möglich, da weder Fensterbreite noch
Phasenlage getriggert werden konnte bei meinem Ebauches.
Bin jedenfalls irritiert durch die Elementarsignale, deren para-
metrische Darstellung die "Unschärfenrelation" deutlich hervor-
treten lässt (Sinus von endl.Daür ist kein Sinus,Impuls im Sinn
des One shot leitet zur Frage der Fensterbreite des Zeitsignals,
die ich seit 1972 bei Fourieranalysen zu spuren bekomme). Also
ist doch gerade bei den Elementarsignalen, die einen determinier-
ten Aufbau ermoglichen sollten, keine rede von Determiniertheit,
sondern sie entgleiten dem Zugriff exakter Beschreibung...)
Zudem befriedigt mich schon 1964 der fade, wässerige Klang der
erhaltenen harmonischen Spektren nur wenig. Ich bringe Störfak-
toren hinein (zB durch eine "ausgefranste" Hüllkurven, deren
Resultat zwar sehr gut ist, die ich aber mühsam durch Bandschnitt
von Hand herstellen muss (da ich damals noch keinen steürbaren
Amplitudenmodulator habe, das Modulieren mit Reglern aber viel zu
langsam ist und keine steilen Flanken ergibt). Das irritirt mich.
Ich sinne auf ein Signal mit reicherem Spektrum und verfalle
(nach Lektüre des Skilling-Artikel) auf den Gedanken, dass One-
shots mit ihren gefüllten Spektren fur die Klangsynthese nützli-
cher waren. Vgl. Was ist el.Mus. p (1967).
Bei dieser Gelegenheit stosse ich indessen auf etwas ganz
anderes, das "Vollschiessen von Löchern", dessen Ergebnisse meine
ohnehin vorhandenen Zweifel an den "determinierten" Strukturen
zur Ge-wissheit vergrössern. Der Umstand, dass innerhalb einer
Tonkon-figuration jedem einzelnen Ton gewissermassen eine
Daseinsberech-tigung gegeben wird durch eine Sinngebung, nämlich
zB diese: Glied einer Reihe zu sein, scheint mir zu simplistisch,
zu Zeichen-gerichtet. Ich vermute, dass andere Gesetze regieren,
die ich zwar (noch) nicht formulieren kann, die sich aber
gewissermassen abtasten lassen durch meine Schiessexperimente,
die zuweilen nicht nur eine, sondern mehrere befriedigende
Lösungen ergeben.
Befriedigend worin? Nicht inbezug auf meine serielle Organisation
(nach dem n-ten Element einer geordneten Versammlung (Reihe)
kommt zwangslaufig das (n+1)te Element an die Reihe!), sondern
inbezug auf meine innere Vorstellung, die an einer bestimmten
Stelle nach einem Ereigniss verlangt, das auftreten zu lassen
mich die Zwangsjacke einer von aussen an meine Musik herangetra-
gene Organisationsmethode (Serie) verhindert, ausschliesst. Mit
einem Wort: das dringende Gefühl, dass die Aussage, wie das
Gemacht ist, mir als Sinngebung keinenfalls genügt.
Daher beginne ich (trotz freundlichen Briefwechsels mit Eimert)
einzusehen, dass sein Einfluss hemmend ja verheerend wirkte; umso
beeindruckter bin ich von Stockhausens Gesang der Junglinge.
Warum, werden wir im nächsten Kapitel sehen (Sprachlaute als
semant. Inhalt und Vehikel der Kommunikation.)Vgl. meine Analyse
in Musikrat 1982.
Zunächst wage ich einen radikalen Versuch, aber nicht im elek-
tronischen Studio (wo ich zwar Hörspieldekors auf "Zufällige"
Weise fabriziere (les non-hommes)), sondern im Gebiet der Instru-
mentalmusik: Roulette. -->(1.23) Zwei neü Aufsätze schreiben: a)
über "ecriture automatiqü in meinem Werk" b) über die
Enstehungsgeschichte von Vosim
_______________________
1.21 Die Darstellung der Technik der el.M. durch W.MEYER-EPPLER
(Elektronische Musik, in Klangstrukturen der Musik, ed.F.Winckel,
Berlin 1955) ist m.E. immer noch vorbildlich.
1.23 Ecriture automatiqü (siehe da)
1.22 Grosse Mühe bereitete uns damals die Stabilität unserer
analogen Sinusgeneratoren. Um einigermassen exakte Werte zu
erhalten (ohne die unsere "harmonischen" Signale zu schweben
begonnen) mussten die Generatoren vor Gebrauch oft stundenlang
angeheizt werden. Das war besonders der Fall bei der Vorbe-
reitung des Grundmaterials für Eclipses (1964).
_____________________________
file: \lect\lect683.wer
Sechste Vorlesung vom 24.Juni 1968
Musikbeispiele:
Eclipses 1964
dasselbe Rotationsverfahren auf die Instrumentalmusik
angewendet:
Mystic Puzzle I 1964
Einbau einer menschlichen Komponente: Rhythmus der Her-
stellung regelt rhytm. Ablauf der Komposition:
Entretiens 1965
Völlig andere Wege geht das folgende Werk, das sich auf
meine sprachsynthetischen Studien stützt. Ausgangspunkt ist
eine Sopranstimme (GisŠle Bobillier)
Anima ou les rˆves de Damien 1967
Wir haben bereits darüber gesprochen, dass die Teiltöne harmon-
ischer Klänge im Verhältnis kleiner ganzer Zahlen züinander
stehen. Sie wissen ja, dass auch die reinen Intervalle der Musik
durch harmonische Verhältnisse gekennzeichnet sind: zB. die Oktav
1:2, die Quint 2:3, die Quart 3:4 etc. Aber Verhältnisse sind
eben nur relative Grössen; über den absoluten Wert der beiden
relatierten Grössen wird nichts ausgesagt. (Wenn ich Ihnen sage:
In Beethovens 5ter ist der erste Ton eine Dezime höher als der
Beginn des 2.Satzes, so haben sie musikalisch, falls sie nicht
Anhänger der Planetenmusik sind, noch herzlich wenig erfahren.)
Wenn wir nun für das Verhaltnis 5:2 (natürliche Dezime) die
absoluten Werte 392, 5Hz und 157.0Hz einsetzen, steht der neü
Ausdruck in Beziehung zur Zeiteinheit 'Sekunde', einer Massein-
heit also, die ihrerseits auf einer Konvention beruht, wie das
auch der Fall ist für das Längenmass 'Meter'. Der geschichtliche
Mensch hat von alters her versucht, seine Masseinheiten von
physikalisch beobachtbaren Gegebenheiten abzuleiten, wie das bei
den Masseinheiten 'Monat', 'Fuss', 'Elle' usw. noch deutlich durch-
schimmert, für den von der Messung des Erdumfangs abgeleiteten
'Meter' ethymologisch allerdings nicht mehr der Fall ist. Metrum
heisst 'Mass' schlechthin; es erhebt mithin Anspruch auf Allge-
meingültigkeit, auch wenn nachträglich laufend verfeinerte Mes-
sungen die relative Ungenauigkeit der Definition des "Urmeters"
(als n-ten Teils des Erdumfangs) aufgezeigt haben.
Selbst wenn der Komponist (wie es in der elektronichen Musik der
Fall zu sein schien) in der günstigen Lage wäre, auch in der
Kunst von der erstaunlichen Präzision der gegenwärtigen naturwis-
senschaftlichen Begriffswelt zu profitieren, so müssen wir doch
zugeben, dass dies zwar für die parametrische Signalbeschreibung
gelten kann, aber ein gleiches für die erregten Hörempfindung
(noch)sehr mangelhaft der Fall ist, von der Sinngebung schon ganz
zu schweigen.(1.31) Es ist wahr, dass die Wissenschaftler das
menschliche Hörfeld quantitativ umgrenzen und manche Eigenschaf-
ten der šbertragunsfunktion des Ohres mit grosser Genauigkeit
beschreiben können (zB. die Kurven gleicher Lautheit; die
Gehörsphysiologen wissen natürlich ungeheur viel mehr!). Aber
wenn wir nun nach den den Hörempfindungen und deren Eigenschaften
fragen, stossen wir zunächst einmal auf eine archaische Land-
schaft von binären Gegensatzpaaren, wie wir sie bereits zu Beginn
dieser Vorlesungen kennengelernt haben. Hier die Grenzpfähle, die
in grossen Zügen das folgende Feld abstecken:
Signal erregte Horempfindung
ÿÿÿÿÿÿÿÿÿÿÿÿÿÿÿÿÿÿÿÿÿÿÿÿÿÿÿÿÿÿÿÿÿÿÿÿÿÿÿÿÿÿÿÿÿÿÿÿÿÿÿÿÿÿÿÿÿÿÿÿÿÿ
Freqünz(Hz): 16'000 Tonhöhe: hoch, hell, aigu
16 tief, dunkel, grave
2, 45 Tempo: schnell
0, 62 langsam
Schalldruck(mbar) 2x10**3 Lautheit: laut
2x10**-4 leise
Für viele einfache Trommelsprachen, wie sie in Afrika von den
Einheimischen verwendet wurden, genügen ein hoher und ein tiefer
"Ton" (sowie Pausen zwischen den Wörtern) zur
Nachrichtenübermittlung über grosse Distanzen. Ein gleiches gilt
für jene reicheren Arten, die auch kurze und lange Tondaürn
miteinbeziehen und für Pfeifsprachen, soweit sie Trommelsprachen
imitieren.(1.32) *** (weglassen:Wo indessen die Sprachmelodie
nachgeahmt wird, geschieht es mit (vier) unterschiedlichen
Tonhöhen.*** Aber wir mögen nicht vergessen, dass die
übermittelten Signale Codierungen von Zeichenreihen natürlicher
gesprochenen Sprache sind, denen sehr komplexe Laut-repertoire
zugrunde liegen. sind diese klanglich auf a)langsam modulierende
Eigenschaften(1.34) wie:
Sprach-Intonation ((Grund-)Tonhohenmodulation)
Lautstarkemodulation (Stress)
Zeitdaürmodulation (der Phoneme, Silben)
typischer Klang des Sprechers (3.u.4.Formant, nach Emotionen
wechselnd)
und ihre Kombination (mehrdimensionale valenzklassen (mehr als ein
Parameter variiert)
b)schnell modulierende
wie Sprachlaute (bezw. die sie charakterisierende Formanten)
Für Musik, wo die Intonation (Tonhohe, Lautheit u.Daür)
stilisiert sind
Tonintervallklassen, Intervallmotive, Instrumentalfarben etc
Wir haben bereits erwähnt, dass die Vokale (annähernd) harmon-
ische Klänge sind; demnach muss die Verschiedenheit ihrer Klang-
farben in den entsprechendnen Werten der Amplituden der harmon-
ischen Teiltöne zum Ausdruck kommen (siehe oben).Es lässt sich
zudem feststellen, dass die männliche Sprechstimme immer in
ihrer Ruhelag zurückkehrt wie der gregorianische Gesang zur
Finalis, namlich zum es (ca 158Hz). Auch fur die Fraün und die
Kinderstimme ist das nicht anders, allein liegen die Tonhohen der
Ruhelage um eine Quart bzw. Quint höher bei ca 210 bezw 238Hz.
Die Formanten.
Die Musikinstrumente sind durch Formanten gekennzeichnet.
INSERT:
Erinnerung an Nachtessen im Königstuhlmit ZH mit Kantonsschul-
prof.Wyss, einem Gymnasialfreund meines Vaters, meinen Eltern und
mir.Man kam u.a.auf die Musik zu sprechen (immerhin in unserer
Familie ein sehr wichtiger Gegenstand).Wyss erklärte (ohne Hem-
mung noch Scham):Musik?Was ist das?Für mich bloss
Lärm.Gesprochene Sprache konnte er immerhin von blossem Lärm
unterscheiden;er hätte also mindestens darüber nachdenken sollen,
dass er, beides, Sprache und Musik, wie Klangmuster aufnimmt.Woher
also seine Trennung in Sprache und Lärm (Musik)?Die Antwort ist
wahrscheinlich:er konnte Sprachliches mit dem Ohr bloss via Sinn
und Bedeutung erkennen (wozu er allerdings über ein formerkennen-
des System Verfügen musste, ohne sich dessen bewusst zu sein. Eine
andere Frage:Was veranlasste den Mann (Literaturprofessor!), sich
mit seiner musikalischen Unkultur zu brüsten anstatt sich ihrer
zu schämen?Dem Manne ging doch wirklich etwas ab, ihm fehlte wenn
nicht Kenntnis überhaupt so doch Verständnis oder mindestens
Achtung für ein so hohes Kulturgut wie es die Musik ist...
Seine Landschaft:gliedert sich in
Sprachen:menschliche
Mutterspr
fremde Spr
tierische Vogelgesang, Schweinegrunzen, Muhen der K/he,
Bellen, Miaien, schnattern etc.
technische artefacte:Hupen, Sirene, Glocke, Dingdong, Piep
etc
Lärm:gedeutet
Eisen-, Strassenbahn, Auto, Autobahn, ReifengequitscheWecker,
fallende Wassertropen, Leeren von Kehriochteimer, zerbre-
chendes Glas, Kanonen-, Pistolen, Revolver, Gewehr-
schuss.Detonation einer Sprengung, Baumaschinen etc
Summen elektr.Apparate oder Leitungen (Grislibär-
geschichte erzählen;falsche Deutung).
ungedeutet z.B.Musik und alles was ihm Angst macht
(Wache stehen nachts im Wald...
file Dag
file Salzburg
Unsere "achaische Landschaft" wird also stets strukturierter, je
mehr wir sie anfüllen mit Kenntnissen, die der Mensch in Sprache
und Musik seit Jahrtausenden entwickelt hat und die längst in
grosser Vollkommenheit vorlagen, als Wissenschaft und Technik
nach heutigen Begriffen "noch in den Kinderschuhen steckten" und
von Künstler-Ingineuren betrieben wurden. (Bau von Festungen und
Kriegsmaterial durch Archimedes u.Leonardo, Kuppelwölbung durch
Bruneleschi und Michelangelo etc). Es ist gut, sich zu erinnern,
dass Mozart 1786 das Wunder vollbringt, in seinem Figaro Sprache
und Musik in vollkommenster Form miteinander zu verschmelzen und
zum warmen Ausdruck echter Menschen zu uberhohen. 91 Jahre später
(1877, V.Sinfonie von Bruckner) aber wagt der Physiker Edison nur
zögernd daran zu glauben, dass mit seinem Phonographen nicht nur
Sprache, sondern auch Musik (oder umgekehrt) festgehalten werden
könne. (Für den Künstler-Wissenschaftler Charles Cros war dies
zur selben Zeit ganz klar, aber er dachte nicht daran (und hielt
es sogar unter seiner Würde), sich um die kommerzielle Ausbeutung
seiner Erfindungnen zu kümmern(1.33).
Hochnäsigkeit der Wissenschaftler gegenüber dem Künstler.(1.35)
_________________
1.31 MALLARM‚, Variation sur un sujet: La signification du poŠme
s'enrichit consid‚rablement, mais son obscurit‚ s'accroit
d'autant.
1.32 W.MEYER-EPPLER, Grundlagen und Anwendungen der
Informationstheorie (Springer 1959)
1.33 Ch.CROS, Öuvres completes (J.-J.Pauvert ed.1964).
"L'affaire du phonograph", die Auseinandersetung, ob Edison oder
Cros die Erfindung des Phonographen zugesprochen werden muss, ist
in der öffentlichen Meinung schon damals zugunsten des amerikani-
schen "Hexenmeisters aus dem Menlo-Park" zugefallen, obwohl die
Dokumente das Gegenteil bekräftigen.
Cros der Wissenschaftler meint resigniert:"Puisqü M.Edison est
l'inventeur du phonograph, eh bien! gloire a M.Edison!".
Der Pöt Cros aber notiert:
Comme les traits dans les cam‚es
J'ai voulu qü les voix aim‚es
Soient un bien, qu'on garde … jamais
Et puissent r‚p‚ter le rˆve
Musical de l'heure trop brŠve;
Le temps veut fuir, je le soumets.
1.34 S.TEMPELAARS in: Weiland u.Tempelaars, Elektronische muziek
(Utrecht/Antwerpen 1982)
1.35 Wenn ich das heute (1990) wieder lese, scheint mir das
keineswegs übertrieben oder rankünös. Im Gegenteil, die Erfahrun-
gen der Zeit, die dazwischenliegt und die mich mit der wissensch.
Welt sehr oft zusammenbrachte, sind noch viel schlechter. Ich
denke zB.an internationale Kongressbesuche wie ÄS Zürich 1976,
Psychoacoustics IRCAM Paris 1976, Micrölectronic München 1976;
die Suffisanz besonders der deutschen und amerikanischen Kon-
gressteilnehmer werde ich nicht leicht vergessen.Aber ich erin-
nere mich auch an Zusammenkünfte im Rahmen der holländischen
Muziekperceptie-Gröp, wo die Herren Wissenschaftler eines Tages
"Hardcore-Wissenschaft" forderten, was sie nicht daran
hinderte, von Fachkenntnis ungetrübt gewichtig über Musik zu
faseln. Selbst ein ausgezeichneter Wissenschaftler wie Plomp
machte davon keine Ausnahme, am ärgsten jedoch der melomane De
Bör aus A'dam)...
Tagebuch: file dag683.jou
26.10.68
Ad: Volkshochschul-Vorlesung MS p.14:
Heute nacht ist mir eingefallen, dass in meinen Vorlesungen ein
Gedankengang fehlt. Das habe ich zwar schon lange empfunden,
jetzt aber zeichnet sich das Fehlende ab.
Es fehlt a.a.O.:
"wahrscheinlich eine infinite Menge". Zürst muss geklärt werden,
was "informativ werden" heisst auf p.7. Zunächst handelt es sich
um eine beiden Seiten bekannt finite Grundmenge M={u/o/a/e/i}.
Daher gilt für jedes xîM: ~(x = e) impliziert x =(either u or o
or a or i). Jedes Zeichen der Grundmenge hat zunächst nur die
eine Bedeutung: es schliesst alle übrigen aus. Weitere Bedeutun-
gen folgen nicht aus der Grundannahme; sie müssen gegeben werden
durch die "Anwendung" dieser Zeichen. In unserm Falle haben beide
Seiten der Nachrichtenkette gleiche Bedeutungen für die verwende-
ten 5 Zeichen, dh, dieselbe Anwendung, dh es wurde ihnen derselbe
Sinn zugrunde gelegt. Es ist also mehr als ein blosser Zeichen-
vorrat.
Jetzt p.14: Wenn man die musikalische Aufführung nun als Regelk-
reis auffasst, so ist eines sicher: die Grundmenge der ausge-
tauschten Signalmuster ist sehr viel grösser als in Beispiel p.7.
Ja wir müssen annehmen, sie sei dem Hörer in den meisten Fällen
nicht oder nur teilweise bekannt.
Aha! Durch die Exposition einer n-stimmigen Fuge wird zB die
(finite)Grundmenge der melodischen Muster oder Figuren festgelegt
und dem Hörer bekannt gemacht. Danach folgt alles wie im Spiel
nach den durch das Label "Fuge" festgelegten Spielregeln.
(Forkel-Zitat über Bach, der beim Anhören der "Exposition" einer
Fuge genau wusste was kommen kann (Form) und (bei einem guten
Stück) kommen muss, dh. was der Fall sein kann und was der Fall
sein soll. (Die beste unter den möglichen Wirklichkeiten.) Das
umfasst allerdings vielmehr als nur relationale Netzwerke von
melodischen Mustern und Supermustern, entgeht indessen dem Hörer
(und dem Musikwissenschftler). Und die Bedeutungen in unserm
Fugenspiel? Aus dem Sinn, dem man dem ganzen Spiel
gibt (Spielregeln) erhalten die Teile ihre Bedeutungen (Fugen-
thema, Dux, Comes, Engführung etc). Und weiter? Art bzw.Charakter
des Themas, des Stücks: zB. langsam/schnell, hell/dunkel,
rhytmisch/unrhytmisch etc. (das scheint ja bereits ins nicht-
kooperative hinüber zu leiten...)
Sicher ist: dass das "Spiel" nur von einem Hörer mitgespielt
werden kann, der
a) die Grundmenge wenigstens teilweise heraushören kann, dh, also
über Vorstellungs-, Abstraktionsgabe und nötige Erfahrung verfügt
um ein Modell in Anwendung bringen zu können,
b) die Spielregeln kennt, was ja eigentlich bereits für a)
Voraussetzung ist. Sicher ist dies: die übermittelten Signal-
muster haben keinen Sinn, sondern nur die Möglichkeit einen
solchen auszudrücken. ZB.
---> Anfang v.Beethoven V.
---> Stimme Amerikas während des 2.Weltkriegs
oder: šb immer Treu und Redlichkeit
Pausezeichen von Radio X
oder: Beethovens Eroica
"C'est l'Empereur!"
Es braucht also: gemeinsamen Zeichenvorrat, Regeln (bei Bach und
Webern gibt es wenig Redundanz), Hinweise. Und letztere vermag
nur die Aufführung homogen dh. für alle Hörer gleicherweise zu
vermitteln. Achtung: Unterscheiden zwischen:
a) šbereinstimmung des Sinnes bei allen Hörern*
b) šbereinstimmung des Sinnes bei allen Hörern und
.......!(unlesbar).
*zB. Nietzsche als "Autorität" bei allen Nazis einer Versammlung
oder Marx bei allen Kommunisten. Diese behaupten zwar immer b).
Das Beispiel der Da capo Arie:
bekannt: ABA
übermittelt: ein möglicher Sinn durch Signalmuster und Situation
bekannt: Kunst des Auszierens und des Belcantostils
übermitte
Summer 2023 Archivation of Master Tapes
The tape archive of Werner Kaegis works is incorporated in the Sonology Archive in The Hague. The main works will be digitalized from the original master tapes. We hope that most of the electronic works will be published in the next years!! We are very happy that finally this wonderful material can be saved for the future.
New VOSIM66 software by Heinerich Kaegi
Between 2020 and 2024 Heinerich Kaegi and Ludger Hurts developed a new Vosim programm VOSIM66 based on the original ideas of Werner Kaegis Vosim and Midim systems. This programm is created in GNU Octave and runs on Windows, Mac and Linux. See www.vosim.eu
New version of VOSIM generator software by Luuk Trip
Luuk Trip developed in 1999 a Vosim generator software VOS2WAV based on the original Vosim 7 vector. Meanwhile Luuk has adapted his VOS2WAV system for Windows 10. For more information, please mail us.
New scores available soon
Scores of several old compositions of Werner Kaegi will be soon available!
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